Von Khangelani Moyo und Franzisca Zanker
Die COVID-19-Pandemie und die weitläufigen Konsequenzen des harten Lockdowns durch die südafrikanische Regierung haben verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Lebensgrundlage vieler Menschen im Land. Geflüchtete und Asylsuchende sehen sich zudem nicht nur mit dem Verlust ihres Lebensunterhalts konfrontiert, sondern müssen in den letzten Jahren auch eine immer größer werdende bürokratische Hürde bewältigen. Die Reaktionen auf die Pandemie werden die Prekarität des ohnehin sehr schwierigen Asylprozesses nur verstärken.
Anfang Juni 2020 veröffentlichte UN-Generalsekretär António Gutierrez einen Policy-Brief, in welchem er die „unverhältnismäßigen Auswirkungen“ der Coronavirus-Pandemie auf Asylsuchende und Migrant*innen festhielt. Er argumentierte weiter, dass dies der internationalen Gemeinschaft die Möglichkeit biete, eine „neuen Vorstellung von menschlicher Mobilität“ zu entwickeln. Einer der Grundsätze lautet: „Niemand ist sicher, bis alle sicher sind“. Trotz der Aufrichtigkeit dieses Ideals in Bezug auf Gesundheit und Menschenrechte können Regierungen auf der ganzen Welt die Grundbedürfnisse einiger ihrer am stärksten gefährdeten Bewohner*innen nicht gewährleisten und nutzen stattdessen die globale Pandemie nun als Ausrede, um die bereits angestrebte Politiken der Ausgrenzung, Schuldzuweisung und Versicherheitlichung innerhalb des Flüchtlingsschutzes durchzusetzen. Eines dieser Länder ist Südafrika, mittlerweile eines der am stärksten betroffenen Länder in Afrika mit 138.134 bestätigten Fällen (Stand: 29. Juni 2020). Wir haben zuvor argumentiert, dass die Behandlung von Geflüchteten und Asylsuchenden in Südafrika während der Pandemie den „business-as-usual“-Ansatz widerspiegelt, ohne dass die Tatsache berücksichtigt wird, dass das Virus nicht nach Nationalität diskriminiert. Anstatt die Reaktion auf die Pandemie als Chance für eine dringend benötigte Einheit zu nutzen, gibt es einige Stimmen in der Regierung, die sich für den Ansatz „Südafrikaner*innen zuerst“ in der wirtschaftlichen Ausgestaltung nach COVID-19 ausgesprochen haben.
Im folgenden Beitrag reflektieren wir die Situation von Geflüchteten in Südafrika und heben hervor, dass der business-as-usual-Ansatz kontraproduktiv ist und die Notlage von Geflüchteten und Asylbewerber*innen verschlechtert. Diese müssen sich nicht nur mit dem Verlust ihres Lebensunterhalts auseinandersetzen, sondern auch mit einem immer größer werdenden bürokratischen Aufwand.
Ein Aufenthalt mit Asylgenehmigung
Asylsuchende in Südafrika erhalten von einem sogenannten Refugee Reception Office (RRO) (siehe unten) eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung, die sie regelmäßig erneuern müssen. Als Ende März eine Ausgangssperre angekündigt wurde, berichtete das Innenministerium (DHA), dass jeder, dessen Erlaubnis ungültig wird, nach Aufhebung der Sperre weitere 30 Tage Zeit hat, um seine Erlaubnis bei einem RRO zu erneuern. Einige Banken folgten und erlaubten Asylbewerber*innen, ihre Bankkonten aktiv zu halten, auch wenn ihre Genehmigungen inzwischen abgelaufen waren. Da die Sperrmaßnahmen über die 30 Tage hinaus fortgesetzt wurden, kündigte die DHA am 10. Juni in einer offiziellen Regierungsmitteilung an, dass alle Asyl- und Flüchtlingsgenehmigungen bis Ende Juli verlängert werden.
So weit, so gut. Wie und wann die RROs wiedereröffnet werden und unter welchen Gesundheitsmaßnahmen, ist jedoch noch unklar. Darüber hinaus erfolgt dies im Lichte einer Reihe von sonstigen Maßnahmen, die den Schutz von Asylbewerber*innen und Geflüchteten kontinuierlich aushöhlen. Eine der Maßnahmen besteht darin, dass nach den neuen Bestimmungen ab Januar 2020 eine Asylgenehmigung, die nicht innerhalb von 30 Tagen verlängert wird, als aufgegeben gilt („abandonemnt“) und den oder die Asylbewerber*in für Abschiebungsmaßnahmen gefährdet. Diese Maßnahme wurde Bestandteil einer gerichtlichen Anfechtung durch zivilgesellschaftliche Organisationen, die betonen, dass die Klausel verfassungswidrig ist, insbesondere angesichts der seit langem dokumentierten Ineffizienz des DHA. Die abandonment Klausel ist besonders problematisch, da sich die ohnehin schlechte Zugangssituation bei den RROs nach dem Ende des Lockdowns wahrscheinlich weiter verschlechtern wird.
Ein überlastetes System
Das Flüchtlingsgesetz von 1998, das Asylbewerber*innen ermöglicht, sich im Land frei zu bewegen, zu arbeiten und zu studieren, wird oft gelobt. Südafrikanische Politiker*innen haben aber in den zwei Jahrzehnten seit der Verabschiedung des Gesetzes wiederholt politisch von der Einschränkung dieser Rechte profitiert. Heute kann der Asylprozess langwierig und mühsam sein, und viele Asylsuchende sind in Südafrika erheblichen Risiken ausgesetzt, darunter Kriminalität, Belästigung und fremdenfeindliche Angriffe. Dass nur hochqualifizierte Einwanderer realistische Chancen auf ein Arbeitsvisum haben, führt zu zunehmenden gesellschaftlichen, politischen aber auch administrativen Problemen für Geflüchtete und Migrant*innen: Viele Migrant*innen, die in das Land einreisen, haben keine andere Wahl, als Asyl zu beantragen, um ihren Aufenthalt zu legalisieren. Dies führte zusammen mit der Korruption und Ineffizienz der DHA zur Entwicklung eines dysfunktionalen Asylsystems, das von einem unüberwindbaren Rückstand geprägt ist, dessen Beseitigung Jahrzehnte dauern könnte. Der Nettoeffekt eines restriktiven Einwanderungssystems und eines dysfunktionalen Asylsystems besteht darin, dass das DHA seiner Pflicht, d.h. den Schutz von Geflüchteten und Asylbewerber*innen, die sofortige Hilfe benötigen, nicht nachkommt.
Selbst wenn sie dann wieder öffnen, gibt es keinen Hinweis darauf, wie die RROs die Aufenthaltsgenehmigungen nachholen, die während der Ausgangssperre nicht erneuert wurden. RROs sind derzeit nicht in der Lage, Asylanträge zu bearbeiten. Bis vor kurzem waren nur drei von sechs Büros weiterhin voll funktionsfähig (Durban, Musina und Pretoria), während andere seit 2011 entweder vollständig oder speziell für neue Fälle geschlossen wurden. Gerichtsbeschlüsse zur Wiedereröffnung der geschlossenen Büros wurden von der DHA wiederholt ignoriert. Genehmigungen ständig erneuern, oft weite Strecken zurücklegen und dabei in langen Warteschlangen warten zu müssen, bedeutet eine große Last für Asylsuchende und der gesamte Asylprozess nimmt oft Jahre in Anspruch. Im Jahr 2015 hatte Südafrika in verschiedenen Prozessphasen einen Rückstand von über einer Millionen Asylanträgen. Der UNHCR meldet 188.296 „schwebende“ Asylfälle im Jahr 2019 und eine Prüfung des Einwanderungsprozesses im Jahr 2019 zeigt, dass das Refugee Appeals Board derzeit einen Rückstand aufarbeitet, dessen Bearbeitung 68 Jahre dauern würde.
Neue Gesetze bedrohen das Asylrecht weiter
Im Januar 2020 wurde das Flüchtlingsgesetz von 1998 durch die Refugee Amendment Acts von 2008, 2011 und 2017 ergänzt, die mit den Veröffentlichungen der begleitenden Vorschriften in Kraft traten. Diese jüngsten Änderungen innerhalb des Flüchtlingsschutzes, einschließlich einer umstrittenen Überarbeitung, die es Asylbewerber*innen und Geflüchteten verbietet, an „politischen Aktivitäten oder Kampagnen zur Förderung politischer Parteien oder Interessen“ (Artikel 4, Absatz 2) teilzunehmen und der damit verbundenen Gefahr, den Flüchtlingsstatus zu verlieren, wurden von zivilgesellschaftlichen Akteuren umfassend kritisiert. Positiv ist zu vermerken, dass die Änderungen auch die Regeln für die Beschwerdekammer reformieren, was die Verfahren hoffentlich beschleunigen wird. Nach den neuen Regeln haben Asylsuchende nur noch fünf Tage Zeit, sich mit ihrem Transitvisum bei einer RRO anzumelden, obwohl Warteschlangen und Einschränkungen, etwa nur bestimmte Nationalitäten an einigen Tagen zuzulassen, dies praktisch unmöglich machen. Auch hier gibt es wenig Klarheit darüber, was mit all den neuen und schwebenden Anträgen von Asylbewerber*innen geschehen wird, die seit März 2020 in das Land eingereist sind.
Die Änderungen entziehen auch das automatische Recht auf Arbeit und Studium, das ein wesentliches Merkmal des Flüchtlingsgesetzes von 1998 war. Stattdessen benötigen Asylsuchende eine Bestätigung ihrer Arbeitserlaubnis oder ihres Studiums und erhalten das erste nicht, wenn sie über genügend Ersparnisse verfügen, um sich vier Monate lang selbst zu ernähren. Dies fügt einem System, das bereits für seine Ineffizienz bekannt ist, eine zusätzliche Bürokratieebene hinzu. Viele Asylsuchende arbeiten bereits in sehr prekären Verhältnissen und sind daher anfälliger für den wirtschaftlichen Niedergang in Folge der Pandemie. Jenseits der formalen Beschränkungen sind Asylsuchende und Geflüchtete auch fremdenfeindlichen Diskriminierungen ausgesetzt, die während der gesamten COVID-19-Ära fortdauern.
Ausschlusspolitik während einer Pandemie
Während der Bekanntgabe der Regeln für die Ausgangssperre hielt der Minister für Entwicklung kleiner Unternehmen, Khumbudzo Ntshavheni, in einem Briefing fest, dass Spaza Shops (d.h. kleine Lebensmittelgeschäfte) zwar betrieben werden dürfen, jedoch nur in südafrikanischem Besitz befindliche und betriebene Geschäfte. Er behauptete: „Wir wollen sichergehen, dass die Qualität der Lebensmittel und die Sicherheit der Qualität der Produkte vorhanden sind.“ Bereits am ersten Tag der Ausgangssperre wurden Spaza Shops im Besitz Eingewanderter von der Polizei geschlossen. Solche Kommunikationsmissgeschicke in einer Zeit, in der die nationale Einheit so dringend benötigt würde, sind sehr bezeichnend für den besagten business-as-usual-Ansatz. Am 6. April erlaubte eine neue Richtlinie, dass nun alle Spaza Shops geöffnet bleiben können, aber es ist anzunehmen, dass der Schaden bis dahin bereits angerichtet war.
Geflüchteten und Migrant*Innen im Land sind bisher schon mehreren Wellen von fremdenfeindlicher Gewalt ausgesetzt worden. Oft fanden Gewaltakte gegen spaza shops in ausländischem Besitz statt, die in den Townships weit verbreitet sind. Unbestätigte Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 70 bis 85 Prozent der etwa 100.000 spaza shops im Besitz von Ausländer*innen sind. Viele sind Geflüchtete, insbesondere aus Äthiopien, Somalia, Bangladesch und Pakistan. Diese Unternehmen leisten einen wesentlichen Beitrag zur lokalen Wirtschaft, indem sie Arbeitsplätze sowohl für ausländische Migrant*innen als auch für südafrikanische Bürger*innen schaffen.
Ebenso schädlich ist, dass Asylsuchende während der Ausgangssperre keine Nothilfestipendien beantragen können – diese sind nur für diejenigen verfügbar, die als Flüchtlinge anerkannt sind. Dewa Mavhinga, Direktor für das südliche Afrika bei Human Rights Watch, kritisierte, dass „die Regierung die Notlage von Geflüchteten und Asylbewerber*innen ignoriert, die derzeit in ihren Häusern eingesperrt sind und nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen“. Ein Gerichtsbeschluss vom 19. Juni 2020 soll diese Regel nun aufheben und Nothilfestipendien unter bestimmten Bedingungen auch Asylbewerber*innen zur Verfügung stellen.
Wie geht es weiter?
Südafrika, derzeit vorsitzend in der Afrikanischen Union, ist weit davon entfernt, Mobilität in Bezug auf die Sicherheit aller zu überdenken. Dies belegt auch eine weitere Maßnahme, die im Zusammenhang mit Corona angekündigt wurde: An der Grenze zwischen Südafrika und Simbabwe einen 40 km langen Zaun zu errichten. Dies verbraucht nicht nur kritische Ressourcen in einer Zeit, in der die Infektionen in Südafrika höher sind als in allen Nachbarländern zusammen. Die Reaktion zeugt auch ganz grundsätzlich von einem zunehmend versicherheitlichten Ansatz in Südafrika, wenn es um Flüchtlings- und Migrationsgesetze geht.
Die Idee, Asylzentren an den Grenzen zu schaffen, die ursprünglich in dem White Paper on International Migration von 2017 aufkam, welche die Rechte von Asylbewerber*innen im Land weiter abbauen würde, ist bisher noch nicht in der Umsetzung. Sie könnte aber noch auf dem Plan stehen. Im Februar 2020 verabschiedete die Nationalversammlung ein neues Gesetz der Grenzverwaltungsbehörde, mit dem die Grenzsicherheit von einer einzigen Behörde koordiniert werden soll. Das Gesetz war seit langem in Arbeit, wird jedoch kritisiert, weil es möglicherweise die Grundprinzipien des Flüchtlingsschutzes missbraucht und ein militarisiertes Bild der „Invasion durch Migranten“ zeichnet, das im Widerspruch zu den Idealen der panafrikanischen Freizügigkeit steht. So wie der mögliche Missbrauch von Notstandsgesetze, ein weltweites Phänomen, spielt auch eine COVID-19-gerechtfertigte Grenzmauer dem zunehmend versicherheitlichten Ansatz in Südafrika in die Hände.
In einer kürzlich durchgeführten Fokusgruppendiskussion für ein Forschungsprojekt zur Flüchtlingspolitik in Südafrika kommentierte ein Asylbewerber die Idee von Asylszentren: „When you put your monkey in a cage, a small cage, and you put your dog in a bigger cage, which one is free?“
Die Rechte von Asylsuchenden und Geflüchteten werden – trotz der einst fortschrittlichen Gesetzgebung – in Südafrika immer weiter untergraben, was durch die Pandemie noch verstärkt werden kann. Die Reaktionen auf die Pandemie dürften die Prekarität des bereits sehr schwierigen Asylverfahrens erhöhen. Langfristig würde es nur eine umfassendere Agenda, welche diejenigen Akteur*innen einschließt, die zu diesen Themen seit je her beraten, Südafrika ermöglichen, zu den fortschrittlichen Asylgesetzen zurückzukehren, für die es einst so viel Lob erhalten hat.
Dieser Beitrag ist auch im Englischen erschienen und Teil der Reihe Folgen von COVID-19 für Flucht und Geflüchtete auf dem FluchtforschungsBlog. Er baut auf einem früheren Blogbeitrag in African Arguments und einem Bericht in Africa Spectrum auf. Vielen Dank an Aniela Jesse, studentische Hilfskraft am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück, für die Übersetzung ins Deutsche.