Afrika

Afrika ist der Kontinent mit den meisten Geflüchteten und zugleich der mit der wenigsten Fluchtforschung. Während sich etwa ein Drittel aller geflüchteten Personen weltweit in Afrika befindet (UNHCR Global Appeal 2015), bleibt der Kontinent jedoch häufig am Rande eines gesamten Forschungsfelds das sich diesbezüglich insbesondere auf Europa konzentriert.

Der Arbeitskreis Afrika bringt Forscher*innen aus allen Disziplinen zusammen, die sich für Flüchtlingssituationen auf dem Kontinent interessieren bei denen Afrikaner*innen als Geflüchtete, Gastgeber*innen, Helfer*innen, Expert*innen, und Verwalter*innen zentrale Rollen spielen. Dabei richten die Mitglieder des AK Afrika den Blick einerseits auf das Phänomen der Flucht und des humanitären Flüchtlingsschutzes selbst, aber andererseits auch auf die breiteren gesellschaftlichen Zusammenhänge und Transformationen die sie begleiten. Wir interessieren uns damit sowohl für die eher konventionellen Fragen der Fluchtforschung – wie etwa Fluchtursachen, Fluchtziele, Strategien von Geflüchteten, Schutzmechanismen, usw. – als auch für die sozio-kulturellen Interaktionen die davon geprägt werden. Viele Gesellschaften Afrikas werden schon lange von verschiedensten Formen der Flucht geprägt. Die meisten afrikanischen Staaten waren in den letzten Jahrzehnten abwechselnd (oder gleichzeitig) sowohl ‚Herkunftsländer‘ als auch ‚Gastgeberländer‘ für Geflüchtete. Nicht umsonst wurde Afrika unter anderem schon als der ‚Kontinent des Flüchtlingslagers im 21. Jahrhundert‘ (Agier 2011, 3) schlechthin bezeichnet. Einige afrikanische Gesellschaften werden heute gar als sogenannte ‚Flüchtlingsgesellschaften‘ (refugee societies) beschrieben.

Der Arbeitskreis diskutiert unterschiedliche Themen im Zusammenhang mit Flucht und Zwangsmigration. Dabei wird methodisch besonders auf folgende Aspekte geachtet:

Historizität | Entgegen der Tendenz, Fluchtbewegungen als etwas Neues zu zelebrieren, verstehen wir Zwangsmigration nicht als neues Phänomen. Sie prägt die lange Geschichte des Kontinents sowohl in vorkolonialen, kolonialen und postkolonialen Gesellschaften. Daher ist es wichtig Fluchtbewegungen immer historisch zu verorten.

Vergleichbarkeit | Der Fokus auf Afrika soll keineswegs Anlass zur Essentialisierung sein. Stattdessen stehen empirische Untersuchungen und Fallstudien im Vordergrund, die Mitglieder des AK in ihrer Forschung vergleichen und kontrastieren. Der Arbeitskreis legt einen besonderen Wert darauf, verschiedene afrikanischen Regionen als auch zwischen afrikanischen und außerafrikanischen Fällen zu vergleichen. Afrika fungiert hier als eine Linse für bestimmte Forschungsfragen und nicht als geschlossene Kultureinheit.

Kolonialität | Die Forschungsarbeit zu Flucht und Geflüchteten in Afrika ist immer durch post-koloniale Machtstrukturen und Hierarchien geprägt. Dies bedeutet, dass wir diese Langzeitwirkungen von ökonomischer, kultureller, politischer, und sozialer Ausbeutung durch die europäische Kolonisierung des Kontinents in unserer Arbeit und Analyse stetig mitdenken müssen. Dies betrifft nicht nur kritische Reflektionen zu Positionalität, ggfs. dem Weißsein, und strukturellem Rassismus, sondern auch zur Repräsentation von Geflüchteten selber, ihren Erfahrungen, und ihrer Rolle nicht nur als Quellen, sondern als Co-Produzenten von Wissen.

Kategorien | Eine große Herausforderung der Fluchtforschung ist es, einen historisch gewachsenen und meist normativen konzeptionellen Apparat – wie etwa die Kategorien Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge, Wirtschaftsmigranten, Diaspora, usw. – immer kritisch zu reflektieren. Dies ist umso wichtiger im Zusammenhang afrikanischer Gesellschaften, die historisch von Europäern durch rassistische und kolonialen Kategorien und Taxonomien betrachtet und beschrieben wurden.

Der Arbeitskreis Afrika fungiert einerseits als thematisches Diskussionsforum innerhalb des Netzwerks Fluchtforschung, und andererseits als Anlaufstelle um die Forschungsergebnisse einzelner Mitglieder publik zu machen. Zudem unterhält der AK eine eigene Blogreihe zum breiten Themenfeld ‚Flucht und Vertreibung in Afrika‘ auf dem Fluchtforschungsblog.

Bei Fragen zu Mitgliedschaft, Interviews, Kollaboration, Blogbeiträgen, und Sonstigem wenden Sie sich bitte an die Koordinator*innen des AK Afrika.

Dr. Hanno Brankamp
hanno.brankamp@kcl.ac.uk

Dr. Jochen Lingelbach
Jochen.Lingelbach@uni-bayreuth.de

Agathe Menetrier
info@agathemenetrier.fr