Flucht, Agency und Vulnerabilität

Der Arbeitskreis „Flucht, Agency und Vulnerabilität“ nähert sich den Lebenswelten geflüchteter Menschen aus einer relationalen Perspektive, welche die soziale Herstellung von Handlungsfähigkeit geflüchteter Menschen als auch die Erzeugung vulnerabler Subjekte in ihren Wechselwirkungen und Überlappungen erfasst und reflexiv diskutiert. Die Mitglieder eint das Interesse an der Diskussion theoretischer, empirischer, methodologischer und praxisorientierter-partizipativer Zugänge.

Die beiden Konzepte ‚Agency‘ und ‚Vulnerabilität‘ haben Einzug in das Fluchtmigrationsregime, in politische und mediale Debatten, aber auch in pädagogische Hilfesysteme gehalten. Gemein ist beiden Konzepten, dass sie jenseits eines relationalen Verständnisses Gefahr laufen, Handlungsfähigkeit und Verletzlichkeit geflüchteter Menschen als gegebene Eigenschaft zu essentialisieren und den Blick wegzulenken von der Relevanz sozialer Umwelten, die Handlungsfähigkeit und/oder Verletzlichkeit begünstigen und erzeugen können. In einem verkürzten Verständnis stellen sie geflüchtete Menschen als ‚die anderen‘sowie ‚verletzliche Subjekte’ oder ‚passive Verwaltungsobjekte‘ überhaupt erst her oder betonen Handlungsfähigkeit geflüchteter Menschen über und tragen damit zu einer Verwehrung von Hilfe bei.

Der Arbeitskreis setzt sich kritisch mit der Rezeption beider Konzepte auseinander und diskutiert die wissenschaftlichen, aber auch öffentlich-diskursiven Aneignungen und Verständnisse von Agency und Vulnerabilität in der Forschung und Debatte zu Fluchtmigration. Er will eine relationale Konzipierung nutzbar machen und fragt nach den gesellschaftlichen Mechanismen der Erzeugung und/oder Verwehrung von Handlungsfähigkeit und nach der sozialen Konstruktion von Vulnerabilität. Hiermit rückt er soziale Umwelten, Netzwerke, Institutionen, Organisationen und Diskurse hinsichtlich ihres Handlungsfähigkeit begünstigenden oder verwehrenden Potentials sowie die Bedeutung universeller Rechte und Teilhabe für alle geflüchteten Menschen in den Fokus. Zentrale Fragen sind:

  • Wie werden Agency und Vulnerabilität in sozialen Beziehungen zwischen geflüchteten Menschen, Sozialarbeiter*innen, Volunteers und Instanzen wie der Ausländerbehörde, Bildungsinstitutionen oder in Unterkünften für geflüchtete Menschen hergestellt?
  • Welche Machtmechanismen, Schließungsmechanismen, aber auch Handlungsmöglichkeiten zeigen sich in diesen Beziehungen und wie werden sie von geflüchteten Menschen bearbeitet?
  • Wie werden in strukturell und institutionell gerahmten Bedingungen von Macht- und Ohmachtverhältnissen wie etwa Sammelunterkünften für geflüchtete Menschen Handlungsfähigkeiten und Verletzlichkeiten hergestellt und von den involvierten Personen und Instanzen ausgehandelt und bearbeitet?

Der Arbeitskreise ist offen für alle interessierten Wissenschaftler*innen, Praxispartner*innen und Akteur*innen mit Fluchterfahrungen, die sich mit dem Thema Flucht, Fluchtmigrationsregie und Perspektiven geflüchteter Menschen auseinandersetzen.


Digitale Vortragsreihe

Fluchtmigration und Geflüchtetenunterbringung. Interdisziplinäre Dialoge

Die digitale Vortragsreihe gibt einen Einblick in theoretische und empirische Perspektiven auf Fluchtmigration und Geflüchtetenunterbringung. Die Vorträge befassen sich mit Fragen von Grenzen, Dekolonialisierung, Agency, Bildung, ethnografischer und partizipativer Forschung sowie Ethik. Hierbei denken die Vortragenden über den Status Quo hinaus und eröffnen neue Ansatzpunkte für gesellschaftliche Umgangsweisen mit Flucht und Mobilität.

Di, 13. April 2021 10.15 – 11.45

Grenzüberschreitende Fluchtmigration in Zeiten der Corona-Krise: Ethnografische Perspektiven aus Griechenland (Moria) und Kenia (Kakuma)
Dr.in Claudia Böhme, Dr.in Anett Schmitz (Universität Trier)

Di, 27. April 2021 10.15 – 11.45

Dekoloniale Perspektiven auf Fluchtmigration und ein Leben in Lagern als schrecklicher sozialer Prozess
Prof. Dr. Ronald Lutz (Fachhochschule Erfurt)

Di, 4. Mai 2021 10.15 – 11.45

„Man kämpft sich müde“. Agency und Vulnerabilität im professionellen Handeln pädagogischer Fachkräfte in Geflüchtetenunterkünften
Prof.in Dr.in Caroline Schmitt (Universität Klagenfurt)

Di, 11. Mai 2021 10.15 – 11.45

Schule und Flucht. Partizipative Zugänge in der Fluchtforschung

Prof. Dr. Hans Karl Peterlini, Dr. Jasmin Donlic, Daniela Lehner, MSc

(Universität Klagenfurt)

Di, 18. Mai 2021 10.15 – 11.45

Postmigration. Perspektiven jenseits von Grenzen aus der EUREGIO

Assoz. Prof. Dr. Marc Hill (Universität Innsbruck), Jun.-Prof.in Dr.in Claudia Lintner (Freie Universität Bozen)

Di, 01. Juni 2021 10.15 – 11.45

Forschen im Kontext von Flucht und Asyl. Impulsgespräche

Dr.in Margrit Kaufmann (Universität Bremen), Prof. Dr. Ronald Lutz(Fachhochschule Erfurt), Dr.in Laura Otto (Goethe-Universität Frankfurt), Prof. Dr. Michael Schönhuth (Universität Trier), Hoa Mai Trần, M.A. (Fachstelle Kinderwelten, Institut für den Situationsansatz Berlin)

Organisation und Moderation

Caroline Schmitt (Universität Klagenfurt) Anett Schmitz (Universität Trier)

Aus organisatorischen Gründen bitten wir um Anmeldung Bitte geben Sie den entsprechenden Vortrag, Ihren Namen und Ihre E-Mail-Adresse an: ethnologie@uni-trier.de. Der Link zur Online-Veranstaltung wird Ihnen rechtzeitig zugeschickt.

Kooperationsveranstaltung
des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt,
der Ethnologie der Universität Trier und
des Arbeitskreises „Flucht, Agency und Vulnerabilität“ des Netzwerks Fluchtforschung

Prof.in Dr.in Caroline Schmitt: caroline.schmitt@aau.at

Dr. Anett Schmitz
schmitzan@uni-trier.de