Die Zukunft von Refugee Resettlement

Machen die September-Gipfel einen Unterschied?

Im September wurden in New York zwei Gipfel abgehalten: Der UN-Gipfel zu Flucht und Migration und der von US-Präsident Obama initiierte Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur globalen Flüchtlingskrise. Diese Zusammentreffen waren und sind für den globalen Flüchtlingsschutz und die Teilung von Verantwortungen unter den Staaten wichtig, was sich selbstverständlich auch auf die dauerhaften Lösungen bezieht. Refugee Resettlement ist eine dieser drei dauerhaften Lösungen und betrifft die Um- und Neuansiedlung von Flüchtlingen in einem sicheren Drittland. In den vergangenen Jahren verfolgten Regierungen das Ziel, vorrangig vulnerable Flüchtlinge umzusiedeln, die besonderen Gefahren ausgesetzt waren oder sein können. Doch welche Bedeutung haben die Gipfel für Resettlement?

In einem anderen Beitrag, der vor den Gipfel erschienen ist, bin ich mit Kolleginnen auf den Machtfokus in den Debatten eingegangen. In Anlehnung daran widme ich mich nun Schlüsselthemen für die Zukunft von Resettlement: Diskrepanz zwischen Bedarfen und Angeboten, politische Ablehnung der Flüchtlinge, Mangel an internationaler Zusammenarbeit und knappe finanzielle Ressourcen. Im Anschluss werden resettlement-bezogene Ergebnisse beider Gipfel verglichen.

 

Schlüsselthemen

Aufgrund des globalen Anstiegs der Zahlen von Geflüchteten und insbesondere des Syrienkonflikts werden Rufe nach einer Erweiterung von Refugee Resettlement immer lauter. Der Mangel an Plätzen verursacht indes jahrelange Wartezeiten für Flüchtlinge in prekären Verhältnissen. Mehrere Studien, darunter das MEDMIG-Projekt, haben gezeigt, dass unzureichende Anzahl von Plätzen sowie fehlende legale Ausreisemöglichkeiten einige Flüchtlinge dazu treiben, auf eigener Faust in gefährlichen Bedingungen ein sicheres Leben zu suchen.

Dennoch stoßen Wünsche nach mehr Plätzen häufig auf politische Ablehnung. Erstens zeigen sich einige Regierungen ablehnend bis feindselig. Die dänische Regierung hat beispielsweise Anfang September die Aufhebung Dänemarks langjähriger Resettlement-Quote für 2017 angekündigt – auch wenn Asylanträge in dem Land gerade auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren sind. In Viktor Orbans Ungarn wird Anfang Oktober ein Referendum zur ‚EU-vorgeschriebenen Umsiedlung‘ von Ausländern organisiert, das als Volksabstimmung über die EU-Flüchtlingspolitik interpretiert wird. Zweitens sind Wähler zunehmend skeptisch. In Deutschland erfuhr die CDU hohe Verluste bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und der Kommunalwahl in Berlin in September. Dies wurde von vielen auf Bundeskanzlerin Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik zurückgeführt. Drittens wird Neuansiedung in einigen Ländern nun lauter kritisiert. So verbreitete US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump mehrmals die falsche Behauptung, dass syrische Flüchtlinge, die in den USA angesiedelt werden sollen, nicht ordentlich auf Sicherheitsrisiken überprüft würden.

Nationale Abneigungen gegenüber Flüchtlingen bedroht internationale Zusammenarbeit zu Refugee Resettlement. Der Plan der Europäischen Kommission, Flüchtlinge, die im Süden und Osten der EU ankommen, in Mitgliedstaaten nach demografischen und wirtschaftlichen Kriterien zu verteilen, wurde von mehreren EU-Regierungen abgelehnt. Die Kommission schlug vor, Resettlement-Plätze in der EU aus Ländern zu bevorzugen, die die EU bei der Bekämpfung irregulärer Migration unterstützen. Zudem hat die Türkei, in der sich momentan die meisten Flüchtlinge weltweit aufhalten, die Neuansiedlung bestimmter syrischer Flüchtlinge in die USA und die EU abgelehnt. Recep Tayyip Erdogans Regierung gab an, der Resettlement-Bedarf der Betroffenen sei nicht dringend, da sie zwar vulnerabel, jedoch auch viel qualifizierter als andere Schutzbedürftige seien und deshalb bessere Lebensbedingungen in der Türkei hätten. Allerdings gibt es zwischen der Türkei und den USA Spannungen zur Rolle der Türkei im Syrienkonflikt sowie mit der EU hinsichtlich der Reisefreiheit türkischer Bürger in der Union. Dies mag auch eine Rolle gespielt haben.

In den vergangenen Monaten haben einige Länder ihre Aufnahmebereitschaft erklärt oder erweitert, jedoch werden Ziele nur langsam erreicht. So haben die USA 10,000 Syrer 2016 wie geplant ansiedelt, auch wenn die Umsetzung zunächst sehr langsam verlief. Australiens Versprechen, die Neuansiedlung syrischer Flüchtlinge zu verstärken, blieb monatelang weit unter dem angekündigten Ziel und wurde dafür kritisiert, christliche Minderheiten zu bevorzugen. Im Vergleich dazu wurde Kanadas erhebliche Erweiterung von Refugee Resettlement für syrische Flüchtlinge unter der Trudeau-Regierung international gelobt. Lokale Aktivisten fürchten aber, dass Flüchtlinge aus anderen Ländern in Vergessenheit geraten können. Außerdem wird Kanadas Privatpatenschaft als Modell für andere Länder betont, wobei solche Privatpatenschaft in anderen Staaten etwa in Großbritannien vergleichsweise bescheiden bleiben.

 

Resettlement beim UN-Gipfel: Sichtbar trotz vager Versprechungen

Der erste UN-Gipfel zu Flucht und Migration fand am 19. September 2016 bei der Eröffnung der 71. UN-Vollversammlung statt. 193 UN-Mitgliedstaaten unterzeichneten die New Yorker Erklärung zu Flucht und Migration. Die Erklärung wurde als ‚kleines Wunder‘ von dem Beigeordneten UNHCR-Kommissar für Flüchtlingsschutz Volker Türk beschrieben, da sie in schwierigen politischen Zeiten die Versprechung aller Staaten wiederholt, Flüchtlinge und Migranten zu schützen. Der Erklärung ist der sogenannte Comprehensive Refugee Response Framework beigeführt, der auf eine Verbesserung internationaler Zusammenarbeit im Flüchtlingsschutz abzielt und bis 2018 umgesetzt werden soll. Wegen solcher zeitlichen Verschiebungen kritisieren viele Kommentatoren, dass die New Yorker Erklärung nur vage Ziele enthält.

Eine weitere zentrale Kritik ist das Wegfallen des Versprechens, 10 % der von UNHCR als Resettlement-Kandidaten empfohlenen Flüchtlinge neu anzusiedeln. Dieses konkrete Versprechen wurde mit der Absicht ersetzt, die Art und Anzahl legaler Schutzzugänge zur Aufnahme von Flüchtlingen in Drittstaaten zu erweitern (s. New Yorker Erklärung, Absatz 77). Zudem werden Resettlement und weitere legale Ausreisemöglichkeiten in einem Umfang empfohlen, der den jährlichen, von UNHCR identifizierten Bedarf deckt (Absatz 78). Letztlich sollen Staaten auch die Entwicklung von Privatpatenschaften sowie Arbeitskraftmobilitätswegen für Flüchtlinge in Betracht ziehen (Absatz 79).

Internationale Zusammenarbeit und Verantwortungsaufteilung werden in der New Yorker Erklärung allgemein unterstützt. Der Comprehensive Refugee Response Framework ist präziser, da er spezifische Finanzierung- und Leihmechanismen für Staaten vorsieht, um große Flüchtlingspopulationen aufzunehmen. Allerdings wird der Framework für die kommenden zwei Jahren lediglich ein Entwurf bleiben.

Einige wenige konkretere Maßnahmen wurden bei dem UN-Gipfel angekündigt. Zu nennen ist u.a. eine gemeinsame Initiative der kanadischen Regierung, UNHCR und der Open Society, die Kanadas Expertise zu den Programmen der Privatpatenschaft strukturieren und verbreiten soll. Diese Initiative gehört zum weiterreichenden Engagement Soros, in Migranten zu investieren.

 

Der US-Gipfel der Staats- und Regierungschefs: Der politische Wille, Entwicklungen voranzutreiben?

US-Präsident Barack Obama initiierte einen Tag nach dem UN-Gipfel den Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur globalen Flüchtlingskrise. Dieser Gipfel wurde von den UN unterstützt und von Staaten mitgeleitet, die sich im Rahmen von Flucht und Flüchtlingsschutz handlungsstark gezeigt haben. Neben der US-Regierung waren es die Regierungen von Kanada, Äthiopien, Deutschland, Jordanien, Mexiko und Schweden.

Obama und das US-Außenministerium deklarierten im Vorfeld, nur Staaten zur Teilnahme einzuladen, die zusätzliche Versprechungen zu Resettlement, Bildung- und Erwerbsmöglichkeiten für Flüchtlinge und/oder Finanzierung humanitärer Hilfe eingehen würden. Schließlich nahmen 52 Staaten teil. Vor dem Gipfel startete das Weiße Haus eine Sektion auf der Homepage mit dem Ziel, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft in der Umsiedlung und Aufnahme stärker zu involvieren. Außenminister John Kerry kündigte überdies eine Erhöhung der Resettlement-Plätze um 60 % auf 110,000 im Finanzjahr 2016-2017 an. Die gemeinsame Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs erwähnt, dass teilnehmende Staaten sich dazu verpflichten, die Anzahl der Plätze ungefähr zu verdoppeln.

Zur internationalen Zusammenarbeit und Bereitstellung finanzieller Ressourcen erwähnte der kanadische Einwanderungsminister am Gipfeltag, dass schon 13 Staaten Interesse an Privatpatenschaften signalisiert hätten. Weitere Staaten wie Großbritannien möchten Ressourcen zur Finanzierung einer UNHCR-IOM-Partnerschaft bereitstellen, die die Etablierung neuer Resettlement-Programme unterstützen sollen. Frankreich und Deutschland wie auch weitere Staaten, die keine Verpflichtungen zur Aufnahme von Flüchtlingen eingingen, versprachen zusätzliche Finanzierungen für Bildung und humanitäre Hilfe in Staaten, die große Flüchtlingspopulationen beherbergen.

 

Werden Versprechungen gehalten?

Im Zuge der zwei Gipfel haben sich Staaten zu unterschiedlichen Maßnahmen verpflichtet. Ursprünglich gesteckte Ziele wurden zwar nicht erreicht, doch der Schutz von Flüchtlingen erhielt und erhält weitläufige Aufmerksamkeit. Inwieweit von Staaten selbstgesteckte Verpflichtungen eingehalten und umgesetzt werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht absehbar. Während etwa Obamas Initiative des US-Gipfels fruchtete und Verpflichtungen zustande kamen, endet seine Amtszeit bald. Auch in Frankreich und Deutschland stehen bald Wahlen an. Mögliche strukturelle Änderungen können sich selbstverständlich auf langfristige politische und finanzielle Versprechungen auswirken.

Darüber hinaus zeigen sich konträre Entwicklungen. Bei der UN-Vorversammlung befürworteten etwa die britische und die australische Regierung jenseits deren Resettlement-Vesprechungen auch stärkere Grenzkontrollen, sodass nicht Flüchtlinge, sondern Grenzen geschützt werden sollen. Hierbei offenbaren sich Spannungsverhältnisse, die jedoch nicht von allen Regierungen geteilt werden – die USA und Kanada setzten solche Akzente beispielsweise nicht.

Zentral für die Um- und Neuansiedlung von Flüchtlingen in sicheren Drittstaaten ist allerdings nicht nur der politische Wille von Aufnahmestaaten, sondern vor allem auch das Klima in den Ländern. Wie politische Akteure argumentieren und welches Engagement sie in der nationalen Aufnahme von umgesiedelten Flüchtlingen und der internationalen Zusammenarbeit zeigen, ist bedeutsam. Es wird sich aber erst im Laufe der Zeit zeigen, ob Staaten ihren Verpflichtungen nachgehen und ob die Privatpatenschaften von Kanada, dem UNHCR und der Open Society richtungsweisend werden.

 

Eine andere Version dieses Beitrags erschien kürzlich auf English auf humanitarianstudies.no.

 

 

 

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