Globale Trends zu Flucht und Asyl im Jahr 2024

Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni veröffentlicht das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) den sogenannten Global Trends-Bericht, um Einblicke in die globalen Fluchtbewegungen des Vorjahres zu geben. Dieser Blogbeitrag ordnet die Entwicklungen ein und knüpft an die früheren Beiträge in der Reihe Globale Trends im FluchtforschungsBlog an. Die Zahl der Menschen auf der Flucht ist abermals gestiegen und liegt 2024 bei 123,2 Mio. weltweit. Weiterhin suchen die meisten Geflüchteten Schutz in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommensniveau und sind häufig langwierigen Zeiten im Exil ausgesetzt. Dabei steht das internationale Flüchtlingsschutzregime aktuell an einem kritischen Wendepunkt: Seit Jahren ist eine Erosion menschenrechtlicher Standards durch politische Kurzsichtigkeit, unzureichende internationale Verantwortungsteilung und zunehmende Missachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen zu beobachten. Dringend notwendig ist eine Rückkehr zu internationaler Zusammenarbeit für Flüchtlingsschutz, der auf menschenrechtlichen Prinzipien und evidenzbasierter Politik beruht.

 

Überblick über globale Entwicklungen im Jahr 2024

UNHCRs aktueller Global Trends-Bericht für 2024 zeigt, dass die Zahl der Geflüchteten weltweit weiter angestiegen ist – und dieser Trend nun seit über einem Jahrzehnt anhält. Die Zahl der Geflüchteten hat sich seit 2011 (42,5 Mio.) fast verdreifacht und lag 2024 bei 123,2 Mio. Menschen – ein Anstieg um 7 Mio. (6 %) im Vergleich zu 2023.

Quelle: UNHCR (2025), Global Trends. Forced Displacement in 2024. S. 2

 

Die meisten Geflüchteten weltweit waren 2024 – wie in den Vorjahren – Binnenvertriebene, also Menschen, die innerhalb ihres Herkunftslandes auf der Flucht sind: Laut UNHCR lag die Zahl der sogenannten internally displaced people (IDPs) Ende 2024 bei 73,5 Mio. – ein Anstieg von etwa 9% gegenüber dem Vorjahr 2023. Die Situation der Binnenvertriebenen bleibt oftmals besonders prekär, da sie nicht unter völkerrechtlichen Schutz fallen und die Verantwortung bei den Herkunftsstaaten liegt. Jedoch sind die Staaten nicht selten an den Ursachen der Flucht beteiligt und/oder aufgrund anhaltender Konflikte nicht in der Lage, angemessenen Schutz zu gewähren. Zwar stellen die internationale Gemeinschaft und humanitäre Organisationen wie UNHCR Maßnahmen bereit, doch es bleibt anhaltend schwierig, ausreichende Unterstützung zu leisten – trotz steigender Bedarfe.

Die Zahl der Flüchtlinge – also Menschen, die über Landesgrenzen hinweg geflohen sind und Schutz gesucht haben – ist 2024 um 1% zurückgegangen und lag bei insgesamt 42,7 Mio. Darunter befinden sich 31 Mio. Menschen mit Flüchtlingsstatus sowie weitere 5,9 Mio. Personen mit internationalem Schutzbedarf unter dem Mandat des UNHCR sowie 5,9 Mio. palästinensische Flüchtlinge unter dem Mandat des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Aufgrund des anhaltenden Konflikts im Gazastreifen ist die Lage palästinensischer Flüchtlinge höchst prekär und viele Menschen mussten erneut fliehen. UNRWA schätzt, dass rund 70% der etwa 2 Mio. Binnenvertriebenen in Gazastreifen palästinensische Flüchtlinge sind (S. 3., Fußnote 1).

Die Zahl von Asylsuchenden, deren rechtlicher Status noch nicht abschließend geklärt wurde, ist angestiegen und lag 2024 bei 8,4 Mio. Menschen (2023: 6,9 Mio.).

Im Verlauf des Berichts verweist UNHCR zudem auf 4,4 Mio. staatenlose Menschen, die jedoch nicht in die Gesamtzahl der Geflüchteten einbezogen sind. Dabei handelt es sich um de-jure- und de-facto-Staatenlose – also um Menschen, die entweder keine Staatsangehörigkeit besitzen (de jure) oder deren Staatsangehörigkeit zwar formal besteht, aber nicht anerkannt oder ihnen faktisch kein staatlicher Schutz gewährt wird (de facto). Da viele Länder keine ausreichenden oder gar keine Erhebungen zu Staatenlosigkeit durchführen, muss davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Zahl von staatenlosen Menschen deutlich höher liegt.

Anknüpfend an unsere Kritik aus den Vorjahren müssen wir erneut bemängeln, dass der aktuelle Global Trends-Bericht nach wie vor Geflüchtete ausklammert, die ihre Herkunftsregionen aufgrund von Klima- und Umweltveränderungen, Armut oder wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit verlassen mussten. Dies ist vermutlich in der völkerrechtlichen Grundlage begründet, da die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 in der Fassung des Protokolls von 1967 ausschließlich Personen erfasst, die entsprechend der Flüchtlingsdefinition „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ (Art. 1 A Abs. 2) fliehen. Hingegen verweisen die Guiding Principles on Internal Displacement (Leitlinien zu Binnenvertreibung) der Vereinten Nationen auf Flucht infolge von Natur- und anderen menschengemachten Katastrophen. Aufgrund weltweiter Klima- und Umweltveränderungen bedarf es einer völkerrechtlichen Anerkennung und eines besseren Schutzes auch für Menschen, die aufgrund solcher Ursachen ihre Herkunftsregionen verlassen müssen.

Während die Global Trends-Berichte Angaben zum Ende des Vorjahres erfassen, hat UNHCR auch ein sogenanntes Nowcasting-System geschaffen, um aktuelle Entwicklungen darzustellen. Die monatlich aktualisieren Daten sind online in UNHCRs Datenportal sowie im sogenannten Refugee Data Finder verfügbar. Vorläufigen Zahlen von April 2025 zeigen einen leichten Rückgang der globalen Geflüchtetenzahlen auf 122,1 Mio. (UNHCR 2025, S. 6; siehe auch Refugee Data Finder).

 

Demografische Aufteilung in binären Strukturen

Der Bericht beleuchtet auch die demografische Zusammensetzung der Geflüchtetengruppen. Auf Seite 3 werden demografische Angaben zu Alter und Geschlecht der Geflüchteten (in grün und blau dargestellt) im Vergleich zur Weltbevölkerung (in grau dargestellt) anhand des folgenden Diagramms veranschaulicht.

Quelle: UNHCR (2025), Global Trends. Forced Displacement in 2024, S. 3

 

Eine ähnliche Abbildung findet sich im Bericht mit Fokus auf als Flüchtlinge kategorisierte Menschen (S. 36-37) und entsprechende Angaben zu Binnenvertriebenen und Staatenlosen sind im Text erläutert (vgl. S. 44 und 58).

Die Abbildungen und Erläuterungen zeigen, dass die Anteile von als Frauen und Männern gelesenen geflüchteten Personen ähnlich hoch sind. Zudem wird deutlich, dass die Mehrheit der geflüchteten Menschen zwischen 18 und 59 Jahre alt ist, gefolgt von Personen im Alter von 0 bis 17 Jahren. Dass die Gruppe der 18 bis 59-Jährigen überwiegt, ist auf die breite Altersspanne zurückzuführen. So lässt sich durchaus hinterfragen, welchen Mehrwert eine derart grobe Altersabstufung für Lesende bieten kann. Der hohe Anteil an geflüchteten Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahre ist bedeutsam, da sie spezifischen Risiken ausgesetzt sind und besonderen Schutz benötigen. Schließlich verdeutlicht der vergleichsweise geringe Anteil an über 60-Jährigen, dass Flucht ein belastender und schwieriger Prozess ist, den ältere Menschen häufig nicht antreten, obwohl Gefahren in Herkunftsregionen bestehen.

Einhergehend mit früheren Beiträgen über die Berichte (z.B. 2021 und 2022) kritisieren wir auch den aktuellen Global Trends-Bericht dafür, dass demografische Informationen weiterhin ausschließlich in binären Geschlechterstrukturen dargestellt werden. Dies reproduziert Heteronormativität und schließt queere Menschen aus. LGBTQI+ Personen (lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, queere, intergeschlechtliche und weitere Personen) sind aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität vielerorts Verfolgung, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, werden aber im Bericht nicht einmal erwähnt. Diese Praxis bleibt höchst problematisch und diskriminierend, denn gemäß dem Bericht scheinen die Menschen und ihr Schutzbedarf schlichtweg nicht zu existieren.

 

Regionale Entwicklungen der Herkunfts- und Aufnahmeländer

Mit Blick auf Menschen, die über Landesgrenzen hinweg geflohen sind und als Flüchtlinge gelten, setzt sich der Trend der Vorjahre fort. Die meisten Menschen sind 2024 innerhalb ihrer Herkunftsregionen geflohen und haben daher in benachbarten oder naheliegenden Staaten ihrer Herkunftsländer Schutz gesucht (67%). Die große Mehrheit (73%) der Flüchtlinge lebte in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, wobei sich 23% davon in sogenannten „am wenigsten entwickelten Ländern“ aufgehalten hat.

Die Konflikte in einigen Regionen, in denen bereits viele Menschen geflohen waren, eskalierten 2024 weiter, etwa im Sudan, Südsudan, in Myanmar und Ukraine. Der Krieg im Gazastreifen hatte verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und stellt auch gegenwärtig eine massive humanitäre Krise dar. Ein Komitee der Vereinten Nationen stellte 2024 fest, dass die Kriegsgewalt mit Merkmalen eines Genozids konsistent sind. Zudem verschärfte sich die Bandenkriminalität in Haiti und der langanhaltende Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo führte zu einer der größten und meist übersehenen Krisen für Binnenvertriebene. In Afghanistan endeten aktive Kampfhandlungen weitgehend, aber Unsicherheit hält an – dennoch verschärften viele Länder – inkl. Deutschland – Abschiebepolitiken gegenüber afghanischen Asylsuchenden. Nach dem Sturz der Assad-Regierung in Syrien entstanden bei vielen Geflüchteten neue Hoffnungen auf Rückkehr, aber auch hier ist noch kein Frieden eingekehrt.

Die primären Herkunfts- und Aufnahmestaaten von Geflüchteten haben sich also kaum verändert, wenngleich sich Probleme mitunter stark intensiviert haben. Ende 2024 kamen die meisten als Flüchtlinge determinierten Personen aus sieben Staaten: Syrien, Afghanistan, Ukraine, Südsudan, Sudan, Myanmar und Demokratische Republik Kongo (Annex, Tabelle 2). Asyl und Schutz suchten die meisten Flüchtlinge in folgenden Staaten: Iran, Türkei, Deutschland, Uganda, Pakistan, Tschad, Polen, Äthiopien und Bangladesch (Annex, Tabelle 1).

Die Lage von Binnenvertriebenen intensivierte sich weltweit. Laut den statistischen Anhängen (Tabelle 1 und 2) des Global Trends-Berichts für 2024 waren jeweils mehr als 1 Mio. Binnenvertriebene in 15 Ländern auf der Flucht: Besonders gravierend war die Lage im Sudan mit rund 11,5 Mio. Binnenvertriebenen. In Syrien und Kolumbien lag die Zahl bei über 7 Mio. und in der Demokratischen Republik Kongo bei knapp 7 Mio. Im Jemen wurden mehr als 4,7 Mio. Menschen vertrieben. In Somalia, Ukraine, Myanmar, Nigeria und Afghanistan waren es jeweils über 3 Mio. Binnenvertriebene und in Äthiopien und Burkina Faso mehr als 2 Mio.. In Haiti, Kamerun und Irak waren über 1 Mio. Menschen im Land vertrieben.

Die Übersicht macht deutlich, dass der Großteil der geflüchteten Menschen aus und in Länder im globalen Süden flieht – ein Muster, das seit Jahrzehnten anhält. Dies steht in starkem Kontrast zur weit verbreiteten Vorstellung in vielen westlichen Ländern, Geflüchtete würden hauptsächlich in Europa Zuflucht suchen. Zudem lässt sich anhand der Zahlen erkennen, dass gewaltsame, oft über Jahre andauernde Konflikte nach wie vor die Hauptursache für Flucht ist.

 

Langwierige Aufnahmesituationen und dauerhafte Lösungen

Flucht wird vorrangig als Übergangssituation verstanden, jedoch zeigen die globalen Entwicklungen wieder, dass geflüchtete Menschen viele Jahre in Aufnahmeregionen und -ländern verbleiben müssen. UNHCR definiert diese langwierigen Situationen (englisch: protracted refugee situations) gemeinhin als Fälle, in denen mindestens 25.000 Flüchtlinge derselben Nationalität für mindestens fünf Jahre im Exil leben.

Laut UNHCRs aktuellem Global Trends-Bericht befanden sich 2024 zwei Drittel (24,7 Mio.) aller als Flüchtlinge kategorisierten Menschen und anderen Menschen, die internationalen Schutz benötigten, in solchen langwierigen Situationen. Insgesamt verweist UNHCR auf 57 Situationen in 36 Ländern (S. 40) – ein Ausmaß, dass seit Jahren anhält.

Höchst kritisch ist, dass UNHCR langwierigen Situationen im Bericht erneut auf „given low- or middle-income host country“ begrenzt (S. 40; für 2022: S. 22, für 2021: S. 20). Diese Einschränkung findet sich in globalen Policies jedoch nicht wieder und führt zu einer problematischen strukturellen Verzerrung. Denn dabei wird ausgeblendet, dass auch in westliche Staaten langwierige Aufnahmesituationen mit vielfältigen Herausforderungen für Geflüchtete bestehen. Stattdessen richtet der Bericht den Fokus einseitig auf Länder im globalen Süden, was zu einer ungleichen Verantwortungszuschreibung führt. Zudem werden langwierige Situation von Binnenvertriebenen weltweit in den Berichten unzureichend berücksichtigt.

Diese Langzeitsituationen entstehen allen voran, weil dauerhafte Lösungen für Geflüchtete unzureichend verfügbar sind. Neben der freiwilligen Rückkehr in Herkunftsstaaten und -regionen gelten die lokale Integration in Asylländern mit Perspektive auf ein dauerhaftes Bleiberecht sowie die Umsiedlung bzw. das Resettlement in sichere Drittstaaten als dauerhafte Lösungen.

Anhand der statistischen Anhänge zum Global Trends-Bericht lässt sich detailliert nachvollziehen, wie häufig bzw. selten dauerhafte Lösungen 2024 umsetzbar waren:

Diese Angaben belegen, dass die Tendenzen der Vorjahre weiterhin anhalten. Sie dokumentieren ein nach wie vor unzureichendes – wenn nicht gar miserables – Engagement der internationalen Gemeinschaft bei der Erreichung und Bereitstellung dauerhafter Lösungen für geflüchtete Menschen. Insgesamt hatten im Jahr 2024 lediglich 1.893.255 Flüchtlinge weltweit Zugang zu einer dauerhaften Lösung. Gemessen an den insgesamt 42,7 Mio. Flüchtlingen entspricht dies nur 4,43%. Wenngleich dies ein leichter Anstieg zu den Entwicklungen der letzten Jahre ist, so lässt sich daraus keineswegs eine Trendwende ablesen (2022: 1,2%, 2021: 2,6%, 2020: 1,5%, 2019: 2,4%, 2018: 3,7%).

 

Einordnung und Ausblick

Seit Jahren beobachten wir parallel zum Anstieg der Geflüchtetenzahlen eine Spirale asylpolitischer Restriktionen, insbesondere in westlichen Staaten.

Das globale Flüchtlingsschutzregime wurden vor dem Hintergrund der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs entwickelt und global ausgebaut. Es hat dazu beigetragen, dass nach dem Krieg Millionen geflüchteter Menschen Schutz erhalten und ein neues Leben in Sicherheit beginnen konnten. Wie wichtig das globale Flüchtlingsschutzregime auch in den folgenden Jahrzehnten bis heute geblieben ist, zeigt sich nicht zuletzt am Einfluss von UNHCR und der Genfer Flüchtlingskonvention.

UNHCR war zur Zeit der Gründung primär für einige hunderttausend Geflüchtete in Europa zuständig. Doch binnen weniger Jahre erweiterte sich das geografische und thematische Einsatzgebiet der Organisation erheblich. Die Arbeit von UNHCR wurde 1954 und 1981 mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt. Auch die internationale Gemeinschaft erkannte die Leistungen an, denn als eine der wenigen Kommissariate, Fonds, Programme und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen hat UNHCR ein dauerhaftes Mandat erhalten: Am 22. Dezember 2003 beschloss die UN-Generalversammlung, das ursprünglich befristete Mandat von UNHCR „bis zur Lösung des Flüchtlingsproblems“ unbefristet zu verlängern (Resolution A/RES/58/153).

Auch die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 in der Fassung des Protokolls von 1967 spielt eine zentrale Rolle. Sie bildet das völkerrechtliche Rückgrat des globalen Flüchtlingsschutzregimes, da sie die Definition des Flüchtlingsstatus, die damit verbundenen Rechte der Menschen sowie die Pflichten der Vertragsstaaten festlegt. Bis heute haben 146 Staaten die Konvention und 147 das Protokoll unterzeichnet und sich daher verpflichtet, Flüchtlinge zu schützen und die völkerrechtlichen Normen einzuhalten.

Die Einrichtung und bis heute geleistete Arbeit des Flüchtlingsschutzregimes müssen als menschenrechtlicher Meilenstein gewürdigt werden. Dennoch blieb das Regime stets mit Einschränkungen konfrontiert und partiell dysfunktional. Deutlich wird dies allen voran an massiver chronischer Unterfinanzierung des Flüchtlingsschutzes, unzureichender Teilung von Verantwortungen unter Staaten, mangelndem Zugang zu dauerhaften Lösungen für geflüchtete Menschen sowie von Staaten begangene Rechtsbrüche (ohne Folgen). Ungelöst blieb und bleibt letztlich die Frage einer verbindlichen globalen Teilung von Verantwortungen im globalen Flüchtlingsschutz, in deren Abwesenheit Regierungen zu unilateralen Abwehrpolitiken greifen können.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Versuche, dies zu ändern und ein gerechteres und leistungsfähigeres System zu schaffen. Die letzte globale Initiative war der sogenannten Globale Flüchtlingspakt, der 2018 verabschiedet wurde. Darin verpflichtete sich die internationale Staatengemeinschaft u.a. dazu, finanzielle Mittel und dauerhafte Lösungen im benötigten Umfang zur Verfügung zu stellen. Vor dem Hintergrund des begrenzten Engagements vieler (vor allem westlicher) Staaten muss allerdings hinterfragt werden, wie ernsthaft sie den Pakt und ihre Verpflichtungen umsetzen. Die zunehmend restriktive Politik in der erneuten Präsidentschaft Donald Trumps in den USA trägt wesentlich zur Verschärfung der globalen Herausforderungen im Flüchtlingsschutz bei. Das Aussetzen von Resettlement und die Kürzungen der humanitären Versorgung sind jetzt schon sichtbar und werden sich wahrscheinlich in den kommenden Monaten und Jahren weiter zuspitzen. Andere Staaten sind nicht in der Lage oder nicht willens, die entstanden Lücken zu füllen bzw. kürzen ebenfalls humanitäre Budgets. Auch die Bundesregierung hat angekündigt, Aufnahmeprogramme auszusetzen.

UNHCR hält an dem Pakt und den globalen Verpflichtungen fest und organisiert beispielsweise weiterhin das Globale Flüchtlingsforum und den High-Level Officials Meeting, um Staatenvertretende, aber auch Hilfsorganisationen, Wissenschaftler*innen und natürlich Menschen mit gelebten Fluchterfahrungen an einen Tisch zu bringen, Dialog zu fördern und Verbesserung zu erreichen. Doch die globalen Budgetkürzungen wirken auch stark auf die eigene Arbeit: UNHCR ist gezwungen, humanitäre Programme herunterzufahren oder ganz zu streichen sowie etwa ein Drittel des Personals weltweit abzubauen.

Viele Staaten haben nicht nur einen geringen oder gar fehlenden politischen Willen zum Flüchtlingsschutz, sondern missachten zunehmend das Völkerrecht und stellen zentrale rechtliche und normative Grundlagen des Flüchtlingsschutzregimes offensiv infrage. Die Restriktionen sind stark innenpolitisch motiviert und die Logik lautet immer wieder, Staaten seien überfordert und wollten keine Verantwortung mehr übernehmen. Beispielhaft für eine solche Haltung steht die kürzliche Entscheidung der deutschen Bundesregierung, asylsuchende Menschen an den Grenzen zurückzuweisen – was gegen das Non-Refoulement Gebot der Genfer Flüchtlingskonvention wie auch die Dublin-Verordnung und die Europäischen Menschenrechtskonvention steht.

Eine solche Abwendung von und De-Solidarisierung mit schutzbedürftigen Menschen in diesem Ausmaß ist in der jüngeren Geschichte beispiellos. 2025 wird womöglich als Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich das globale Flüchtlingsschutzregime an einem kritischen Wendepunkt befand. Wir beobachten seit Jahren einen Erosionsprozess. Es ist die Intensität der einzelnen Maßnahmen, aber auch deren Kombination, die das Regime nun erheblich und nachhaltig schwächen können – zum Leid von schutzsuchenden Menschen. Denn durch die Priorisierung auf staatliche (Macht-)Interessen sind Politiken von erschreckender Kurzfristigkeit geprägt. Alleingänge lassen die globalen und längerfristigen Entwicklungen und Bedarfe aus dem Blickfeld geraten. Anstatt dieser interessensbezogenen Kurzfristigkeit bedarf es eine Rückkehr zu internationaler Zusammenarbeit für einen menschenrechtsbasierten, lösungsorientierten und evidenzgestützten Flüchtlingsschutz.

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