Informationen sind der Schlüssel! Auswirkungen von COVID-19 auf Geflüchtete in Kakuma und die Rolle lokaler Nachrichten

 

Das neuartige Coronavirus, auch COVID-19 genannt, ist eine gefährliche übertragbare Krankheit, die weltweit bereits Tausende Menschenleben gefordert hat und das Leben Millionen beeinflusst. Die Auswirkungen des tödlichen Virus sind gerade an Orten wie Flüchtlingslagern, die seit vielen Jahren unter „warehousing“ sowie sozialen und wirtschaftlichen Problemen leiden, noch verheerender.

Das Flüchtlingslager Kakuma in Kenia ist eines solcher Lager. Kakuma wurde 1992 gegründet und liegt im Nordwesten Kenias in der Nähe der Grenze zu Uganda, Südsudan und Äthiopien. Laut UNHCR hat die Bevölkerung im Lager im Jahr 2020 fast 160.000 registrierte Geflüchtete erreicht. Die Bewohner*innen stammen aus dem Südsudan, Somalia, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Burundi, Eritrea, Uganda, Sudan, Ruanda und anderen Ländern. Obwohl Hilfsorganisationen Zugang zu materieller und rechtlicher Unterstützung bereitstellen, ist das Leben der Menschen oft von vielen Schwierigkeiten geprägt. Zusätzlich zu dem abgelegenen Standort und den alltäglichen Herausforderungen in Bezug auf Lebensunterhalt, Sicherheit und Zugang zu Dienstleistungen erschweren die aktuellen Risiken von COVID-19 das Leben der Menschen in Kakuma.

Angesichts der damit verbundenen Gesundheitsrisiken und der verständlichen Sorgen der Menschen über die Pandemie, ist es unerlässlich, Strategien zum Schutz der Menschen vorzubereiten und aufzustellen und sie über Risiken und geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu informieren. Dazu gehört es auch, keine Panik darüber zu schüren, was in Kakuma seit der Bestätigung des ersten COVID-19-Falls am 25. Mai 2020 geschehen ist. Zwar wurden verschiedene Schutz- und Präventionsstrategien aufgenommen, doch haben diese auch Frustration und Angst unter den Lagerbewohner*innen hervorgerufen.

Um den Austausch relevanter Informationen in den Communities zu unterstützen, hat die von Geflüchteten geleitete Medienorganisation Kakuma News Reflector, kurz: KANERE, in den vergangenen Monaten ihre Bemühungen verstärkt, über die Krise und ihre Auswirkungen auf das Lagerleben zu berichten.

 

Wirtschaftliche Auswirkungen von Corona-Maßnahmen in Kakuma

Im Rahmen des nationalen Lockdown in Kenia mussten viele Geschäfte in Kakuma schließen und eine Ausgangssperre wurde verhängt. Seit dem 27. März 2020 müssen die Menschen von 19:00 bis 05:00 Uhr in ihrer Unterkunft bleiben, was von der Polizei durchgesetzt wird. Seit dem 7. Juni 2020 ist die landesweite Ausgangssperre von 21:00 bis 04:00 Uhr für 30 Tage in Kraft. Diese Einschränkungen sollen zwar soziale Distanzierung und damit die Sicherheit der Menschen gewährleisten, sie haben jedoch auch weitreichende Folgen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die wirtschaftlichen Verluste, die derzeit zu verzeichnen sind, nicht auf die Krankheit selbst zurückzuführen sind, sondern vielmehr auf unkoordinierte Maßnahmen zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit, einer angemessenen medizinischen Versorgung und des Wohlergehens der Flüchtlinge in Kakuma. So hat beispielsweise die Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivitäten, die durch die Angst vor COVID-19 ausgelöst wurde, zu Entlassungen und einem weit verbreiteten Rückgang der Einkommen geführt. Hinzu kommt, dass viele in Kakuma keinen Zugang mehr zu dauerhaften Lösungen haben, die während der Pandemie bis auf weiteres zurückgestellt wurden, sodass die Menschen nun auf Umsiedlung zu einem späteren Zeitpunkt warten müssen.

Diese Einschränkungen stellen eine tiefgreifende Belastung für geflüchtete Arbeiter*innen dar, die auf Gelegenheits- oder Anreizverdienste angewiesen sind, im Vergleich zu kenianischen oder internationalen Angestellten, die mit festen Verträgen im gleichen Umfeld tätig sind. Ohne die Jobs und ein stabiles Einkommen haben Geflüchtete und ihren Familien Schwierigkeiten, mit längeren Ausgangssperren und einer fehlenden Beschäftigung im Lagern zurechtzukommen.

 

Stress und Trauma

Wichtig und zusätzlich zu wirtschaftlichen Problemen fürchten die Bewohner*innen von Kakuma natürlich auch das Virus. Kakuma ist überfüllt, die sanitären Einrichtungen sind schlecht und das Wasser wird in der Regel rationiert. Die Bewohner*innen haben zu Hause nicht genügend Platz, um kranke Familienmitglieder zu isolieren, falls sich das Virus im Lager ausbreitet. Das macht physische Distanzierungsmaßnahmen zu einer Frage des Privilegs.

Kakuma ist bereits ein beengter, desolater Kontext, und die Auferlegung weiterer Bewegungseinschränkungen wird Menschen treffen, die in kleinen Zelten, strohgedeckten Häusern oder Unterkünften aus Wellblech leben. Es ist traumatisch, sich ohne Schutzausrüstung wie Maske und Desinfektionsmittel nicht in öffentliche Räume wagen zu können oder nicht zu wissen, ob es sicher ist, Freunde und Nachbar*innen auf dem Markt zu treffen. Auch wenn es Versuche von einigen Geflüchteten gibt, Masken aus lokal hergestellten Kleidungsstücken zu produzieren und anderen kostenlos zur Verfügung zu stellen, hat sich dies als schwierig erwiesen, da viele der benötigten Materialien aufgrund des Lockdowns nicht für die örtlichen Schneider*innen verfügbar sind, die sie normalerweise in den Städten im Süden Kenias kaufen. Die Menschen sind verständlicherweise besorgt um ihr Leben und die Sicherheit ihrer Nachbar*innen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit aufhalten oder für Lebensmittel und Wasser anstehen.

 

Informationen sind der Schlüssel! Bemühungen von KANERE

Sensibilisierung und Informationsaustausch sind heute wichtiger denn je. Genau dieser Aufgabe widmet sich Kakuma News Reflector (KANERE). KANERE wurde 2008 als ein von geflüchteten Journalist*innen initiierten Nachrichtenplattform gegründet und fungiert als unabhängiges Medienunternehmen für Geflüchtete, das der Vision einer freien Presse von Geflüchteten folgt. Zehn Journalist*innen und vier Redakteur*innen sind an KANERE beteiligt, die meisten in Kakuma und einige aus der Ferne wie ich. Auf unserer Website heben wir hervor, dass „wir in Bezug auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sprechen, um eine offenere Gesellschaft in Flüchtlingslagern zu schaffen und eine Plattform für eine faire öffentliche Debatte über Angelegenheiten zu Geflüchteten zu entwickeln.“

Seit Beginn der Pandemie haben wir unsere Bemühungen ausgeweitet, um die Bewohner*innen der Kakuma und Kalobeyei Settlement zu erreichen und relevante Informationen über lokale Entwicklungen zu teilen. Dies wurde auch durch die Zusammenarbeit von KANERE mit dem Zivilen Friedensdienst der GIZ und ihrer Partnerorganisation Kenya Community Media Network (KCOMNET) ermöglicht. Auf unserer Website erörtern wir beispielsweise, wie die Nahrungsmittelhilfe bei einem möglichen Lockdown verteilt wird, welche Präventionsstrategien verabschiedet werden und wie Menschen sicher bleiben können, welche Informationen von NGOs als Reaktion auf COVID-19 verbreitet werden, und wir sprechen über die in Kakuma kursierenden Mythen über das Virus.

Um sicherzustellen, dass wir die Menschen erreichen können, teilen wir Informationen nicht nur über unserer Website, sondern auch über soziale Medien wie Facebook und Twitter sowie lokal. Für jede Veröffentlichung von KANERE haben wir eine begrenzte Anzahl von Ausdrucken, die an wichtigen Treffpunkten wie Restaurants, Bibliotheken und durch Aushänge an Schwarzen Brettern in den Lagern verteilt werden, um die vulnerablen Mitglieder der Community zu erreichen. Darüber hinaus bietet KANERE als unabhängige Presse von Geflüchteten der Welt die Möglichkeit, sich über Kakuma und seine Bewohner*innen zu informieren sowie Informationen zwischen Lagerbewohner*innen und Verfechter*innen von Flüchtlingsrechte auszutauschen.

Durch unser seit mehr als einem Jahrzehnt andauerndes Engagement pflegen wir einen engen Kontakt zur Community und konnten Vertrauen aufbauen. In einem Interview mit Aljazeera habe ich kürzlich erklärt, wie viele Bewohner*innen von Kakuma KANERE noch mehr als Hilfsorganisationen als zuverlässige Informationsquelle akzeptieren und dem Medium vertrauen.

 

Fazit

Das Leben in Flüchtlingslagern wie Kakuma ist schwierig – mit oder ohne die Pandemie. Der Ausbruch von COVID-19 birgt jedoch die Gefahr, bereits bestehende Probleme für Geflüchtete zu verstärken.

Schon vor der Pandemie war der Mangel an Überlebensmöglichkeiten in vielen Flüchtlingslagern einschließlich Kakuma spürbar, wo wirtschaftliche Not, Unterernährung und unvermeidliche Krankheiten weit verbreitet sind. Diese Probleme werden sich aufgrund der Bedrohung durch das neuartige Coronavirus wahrscheinlich noch verschärfen. Es kann über einen langen Zeitraum zu Todesfällen führen, wenn das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und andere für Flüchtlingsschutz zuständige Lagerverwaltungsorgane Lagerverwaltungsorgane es versäumen, angemessene Maßnahmen zum Schutz des Lebens zu ergreifen.

Das Coronavirus hat in Kakuma und auf der ganzen Welt weit verbreitete Angst ausgelöst. Mehr denn je ist es daher jetzt wichtig, einen Prozess des Lernens, der Anpassung und der Gewöhnung an persönliche und gemeinschaftliche Sicherheitsmaßnahmen fortzusetzen – dazu gehört, dass wir unsere Hände mindestens 20 Sekunden lang mit Wasser und Seife waschen, engen Kontakt mit Menschen vermeiden, Husten und Niesen abdecken und mindestens zwei Meter sozialen Abstand halten. In großen Flüchtlingslagern wie Kakuma sind solche Sicherheitsmaßnahmen jedoch nicht leicht umzusetzen. Die Menschen müssen genau wissen, welche Maßnahmen sie ergreifen können und müssen, um sicher zu bleiben. An dieser Stelle kann KANERE einen Unterschied machen. Als Journalist*innen bemühen wir uns, unser Recht auf Informationsfreiheit auszuüben, und angesichts der Pandemie verstärken wir unser Engagement, wissenschaftliche Erkenntnisse und Ratschläge der Regierung mit den Bewohner*innen Kakumas zu teilen. Aufgrund der chronischen Finanzknappheit ist KANERE immer auf der Suche nach Unterstützung und Spenden, um diese Arbeit zu betreiben und fortzusetzen.

 

Dieser Beitrag ist ebenfalls im Englischen erschienen und Teil der Reihe Folgen von COVID-19 für Flucht und Geflüchtete auf dem FluchtforschungsBlog. Vielen Dank an Aniela Jesse, studentische Hilfskraft am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück für die Übersetzung ins Deutsche. 

 

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