Entwicklungszusammenarbeit dient der Überwindung von Armut und der nachhaltigen Verbesserung von bislang unzureichenden Lebensbedingungen. Wenn sie zur Verhandlungsmasse wird, um Partnerländer willfährig für europäische Migrationsinteressen zu machen, werden die Entwicklungsziele wie auch die Lebensverhältnisse der Menschen zur Nebensache.
Derzeit äußern Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Couleur wieder zunehmend den Vorschlag, Entwicklungshilfe an die Bereitschaft von Partnerländern zu knüpfen, irreguläre Migrantinnen und Migranten aus der Europäischen Union zurückzunehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb es Entwicklungszusammenarbeit mit Regimen gebe, die den europäischen Interessen nicht nachkommen. Die Rückführung irregulärer Migrantinnen und Migranten und deren Rückübernahme durch die betreffenden Länder soll schnell und unbürokratisch durchgesetzt werden. Positive und negative Anreize sollen gesetzt werden, um solche Rücknahmeabkommen abzuschließen – nicht zuletzt mit finanziellem Druck.
Dies ist durchaus problematisch. Entwicklungszusammenarbeit zielt in erster Linie auf die nachhaltige Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen ab. Sie stellt aber kein politisches Vehikel zur Umsetzung eigener Interessen dar. Wird Entwicklungszusammenarbeit zur Verhandlungsmasse, schadet dies nicht nur der Glaubwürdigkeit der deutschen und europäischen Politik, sondern kann auch dazu führen, die Lage in den Herkunftsländern von Migrantinnen und Migranten zu verschärfen.
Migrationskontrolle als Ziel
Eine Konditionalisierung staatlicher Entwicklungsleistungen an Rückübernahmen von Migrantinnen und Migranten ist auf der Ebene der Europäischen Union (EU) bereits vielfach gängige Praxis. Ein prominentes Beispiel dafür ist das EU/AKP Partnerschaftsabkommen, auch bekannt als Cotonou Abkommen. Es regelt die Partnerschaft zwischen der EU und 78 Staaten im afrikanischen und karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten). Artikel 13 des Abkommens sieht einen AKP-EU-Dialog über Migration vor, der seit 2010 geführt wird. In dessen Rahmen werden vor allem das Vorgehen gegen irreguläre Migration, die Bekämpfung von Schleppernetzen und die Rückkehr und Rückübernahme von irregulären Migrantinnen und Migranten von der EU in AKP Staaten festgehalten.
Große mediale Aufmerksamkeit erhielt der Gipfel von La Valletta im November 2015. Damals wurde afrikanischen Staaten in aller Deutlichkeit klargemacht: Nur, wer bereit ist, als Migrationsmanager der EU-Mitgliedsstaaten zu fungieren, könne mit mehr Unterstützung rechnen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben längst vereinbart, die Rückführungsbestimmungen entschlossener umzusetzen, die die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) durch die Koordinierung der Rückflüge unterstützen wird.
Darüber hinaus unterstützt die EU ihre Mitgliedstaaten durch den Abschluss von Rückkehrvereinbarungen mit wichtigen Nicht-EU-Ländern. Und Anfang Mai, als der Entwurf für den neuen Mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFR) vorgestellt wurde, haben diese Pläne finanziell Bekräftigung erfahren. Nach dem MRF soll das Volumen zum Themenfeld Asyl und Migration für den Zeitraum von 2021 bis 2027 um das 2,6-fache wachsen. Dabei sind mehr als die Hälfte der fast 33 Milliarden Euro für Frontex sowie für das Grenzmanagement vorgesehen (siehe S. 14-15).
Entwicklungshilfe für Migrationsmanagement
Um den Ursachen für irreguläre Migration zu begegnen, irreguläre Zuwanderung Richtung Europa zu unterbinden und Fluchtursachen zu bekämpfen, wurde Ende 2016 der EU-Notfall-Treuhandfonds für Afrika geschaffen. Mit diesem Fonds werden in hohem Umfang Gelder des Europäischen Entwicklungsfonds beansprucht, darunter auch 395 Millionen Euro aus den regionalen und nationalen Programmen – eine Abkehr von langfristiger, auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Entwicklungszusammenarbeit mit den AKP- Staaten, die Mitspracherechte eingebüßt haben.
Entwicklungsgelder werden nicht nur konditionalisiert – 17 Rückübernahmeabkommen hat die EU bereits geschlossen, zahlreiche weitere werden verhandelt – sie werden zunehmend für Migrationsmanagement eingesetzt. Damit einhergehend werden Grenzkontrollen und Entwicklungsmaßnahmen intensiviert.
In Niger und Libyen werden aus Entwicklungsbudgets Einrichtungen finanziert, die Migrantinnen und Migranten von der Weiterreise nach Europa abhalten. Sudan ist zentraler Partner für das Großprojekt ‚Better Migration Management‘ (BMM), das aus dem EU Trust Fund und mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) finanziert wird. Im Rahmen des BMM wird die Unterstützung bei der Entwicklung einer nationalen Migrationsstrategie und -politik angestrebt. Migrantinnen und Migranten soll der Zugang zu Hilfeleistungen verschafft und unbegleitete Minderjährige stärker geschützt werden. Der Sudan ist Herkunftsland von 3,7 Mio. Menschen auf der Flucht (davon 3,2 Mio. Binnenflüchtlinge). Die Zusammenarbeit mit der sudanesischen Regierung stellt auch aufgrund der hohen Korruptionsanfälligkeit ein Risiko dar und es ist nicht auszuschließen, dass Regierungsangehörige in Schmuggel oder Menschenhandel involviert sind. Seit es die Kooperationen mit der EU im Rahmen des Khartum-Prozesses gibt, hat der Sudan die Menschenrechtsstandards immer wieder verletzt. Darunter fallen das Recht auf Asyl, das Non-Refoulement-Gebot, keine pauschale Inhaftierung von Migrantinnen und Migranten oder Flüchtlingen und keine Todesstrafe.
Solche Projekte, die Entwicklungs- und Menschenrechtsprinzipien nicht wahren und ad absurdum führen, sollten tatsächlich nicht länger durch Entwicklungsmittel finanziert werden.
Folgen für Migrantinnen und Migranten
Der politische Fokus auf Rückkehr und Rückübernahme führt dazu, dass Migration sowie Migrantinnen und Migranten weiterhin illegalisiert und kriminalisiert werden. Migrantinnen und Migranten werden stigmatisiert, rassistische Stimmungen in Gesellschaften genährt, autoritäre Regime für Wohlverhalten belohnt und damit letztlich auch neue Flucht- und Migrationsursachen geschaffen.
Fazit
Es ist längst Gang und Gebe, Migrationsmanagement mit Entwicklungsgeldern zu finanzieren und zusätzliche Gelder für kooperationswillige Partnerländer zu gewähren. Die bisherigen Erfahrungen damit zeigen: Es handelt sich um einen nicht ratsamen, politisch motivierten Trade-off auf Kosten derjenigen, die ohnehin schon benachteiligt sind. Auch Bundesentwicklungsminister Müller hat sich gegen die Kürzung der Hilfe für Herkunftsländer ausgesprochen, würde dies doch gerade die Schwächsten treffen und letztlich den Druck Richtung Europa verstärken.
Der Rückzug aus Projekten, die auf die Verbesserung von Bildungs- und Gesundheitssystemen, auf Arbeitsmarkt- oder Klimapolitik abzielen, könnte dazu führen, dass sich immer mehr Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben von ihren Herkunftsländern abwenden. Regime, die Rückführungsvorgaben nicht folgen, damit bestrafen zu wollen, dass man zukünftig davon absieht die Lebensbedingungen in Entwicklungsländern zu verbessern und Perspektiven für die Menschen dort zu schaffen, wäre gewiss der falsche Weg. Die Entwicklungszusammenarbeit darf nicht als Druckmittel für Rückübernahme oder Migrationsmanagement genutzt werden, stattdessen müssen die Überwindung von Armut, die Umsetzung der Sustainable Development Goals und die Verbesserung von Bleibeperspektiven Zielsetzungen von Entwicklungspolitik sein. Dafür sind langfristige Investitionen und verlässliche Partnerschaften notwendig.
Dieser erweiterte Beitrag ist in erster Fassung auf dem Blog von Brot für die Welt erschienen.