Was haben wir aus dem „langen Sommer“ 2015/16 gelernt? Erfahrungen des „Forum Integration in ländlichen Räumen“

Der rasche Anstieg der Zahl der Asylsuchenden in Deutschland 2015 hat den Titel ‚Langer Sommer der Migration‘ hervorgebracht. Die Aufnahme und Versorgung von über einer Millionen Geflüchteter stellte die Kommunen in Deutschland vor eine neue Herausforderung. Im folgenden Beitrag werden Erfahrungen der Landkreise des „Forum Integration in ländlichen Räumen“ aus dem langen Sommer der Migration sowie die Veränderungen seitdem dargestellt.

 

Der sogenannte lange Sommer der Migration 2015 stellte eine Zäsur in der deutschen Migrationspolitik dar, durch die einerseits viele Schwachstellen und Schwierigkeiten (kommunaler) Aufnahme- und Integrationsstrukturen offengelegt wurden. Andererseits wurden in kurzer Zeit neue (zivilgesellschaftliche) Unterstützungs- und Solidaritätsstrukturen geschaffen, um auf die veränderte Lage zu reagieren.

Besonders auf kommunaler Ebene zeigten sich in verschiedenen Bereichen, sei es bei der Unterbringung, Infrastrukturfragen, Spracherwerb, Zusammenarbeit verschiedener Behörden, aber auch anderer Akteur:innen, dass diese nicht auf das Ausmaß der Fluchtmigration von 2015 vorbereitet waren. Gleichzeitig gab es vorangegangene Warnungen des UN-Flüchtlingshilfswerks und der Welthungerhilfe. Auch zahlreiche Medien berichteten über die angespannte Lage in den Erstaufnahmestaaten und mögliche Konsequenzen, wie bspw. die Weiterwanderung in andere (europäische) Länder (vgl. DW, der Standard, Berliner Zeitung, Süddeutsche, ZEIT uvm.).

Bei der Aufnahme Geflüchteter in Deutschland wurden Kommunen, darunter explizit auch ländliche Kommunen ein gewisser Gestaltungsspielraum zugesprochen und 2015/16 auch als Chance für Veränderungen und die Verbesserung des eigenen Integrationsmanagements gesehen. So nahmen laut einer Studie von Hannes Schammann und seinen Kolleg:innen aus dem Jahr 2020 viele Kommunen den Moment als Anlass, ihre (Aufnahme)Strukturen zu überdenken und überarbeiten.

Ländliche Räume besitzen einige Charakteristiken (weite räumliche Strecken, dezentrale Wohnorte, schlechte Internetabdeckung in manchen Regionen etc.), die im Themenbereich Integration berücksichtigt werden müssen, um eine Umsetzung der Angebote entsprechend der Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Um einen Einblick in die Praxis der ländlichen Landkreise zu bekommen, haben wir in einer Umfrage die Mitgliedslandkreise des Forum Integration in ländlichen Räumen nach den Veränderungen gefragt, die vor zehn Jahren angestoßen wurden, welche Defizite es noch gibt und welche aktuellen Sorgen den Alltag bestimmen. Es haben insgesamt sieben Landkreise aus fünf Bundesländern an der Umfrage teilgenommen. Die Landkreise haben, gemessen an der Gesamtbevölkerung der Kreise, in den Jahren 2015/2016 zwischen 1,3% und 3,5% Geflüchtete aufgenommen. Ihre Rückmeldungen werden in diesem Beitrag zusammengefasst.

 

Strukturelle Veränderungen

Alle befragten Landkreise hoben hervor, dass die Geschehnisse 2015 strukturelle und institutionelle Veränderungen bei ihnen angestoßen haben. Beispielsweise waren in einigen Landkreisen vorher kaum oder keine institutionelle Zuständigkeit für die Flüchtlingsaufnahme oder Integration vorhanden. Diese wurden im Zuge der ansteigenden Fluchtmigration geschaffen und seitdem (bisher größtenteils) beibehalten. Konkret wurden in den befragten Landkreisen teilweise neue Fachstellen/ Migrationsagenturen etabliert, Organisationsentwicklung im Allgemeinen angestoßen, Koordinierungsstellen geschaffen und/oder interne Zuständigkeiten geklärt, um auf die neuen Bedarfe reagieren zu können. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Aufstockung personeller Kapazitäten und der Schaffung neuer Arbeitsstellen, die meist durch Landes- oder Bundesmittel finanziert wurden. Mit den erhöhten Kapazitäten konnte vermehrt in Netzwerkarbeit investiert werden. Dabei ging es einerseits um die Vernetzung und bessere Zusammenarbeit von Bildungs-/ Berufseinrichtungen mit Behörden, aber auch die Vernetzung der Behörden untereinander. Das alles hatte zur Folge, dass das Thema Integration mehr Aufmerksamkeit auf kommunaler Ebene erlangte und sich als fester Bestandteil in den Verwaltungsstrukturen etablieren konnte, “[m]ittlerweile scheint auch in [der] Verwaltung angekommen zu sein, dass die Integration Geflüchteter/Zugewanderter eine Daueraufgabe bleiben wird“, wie einer der Landkreise bekräftigte.

Allerdings hat die Zeit seit 2016 auch gezeigt, dass funktionierende Strukturen nur dann bestehen, wenn es einen Willen gibt, diese aufzubauen und aufrechtzuerhalten. „Krisen können Motor sein, daran bleiben und die Veränderungen leben muss man dann aber noch viele Jahre danach. Hier hakt es oft“, meldete uns beispielsweise ein Landkreis zurück.

Integration wird als ganzheitlicher Prozess verstanden, der über reines Verwaltungshandeln hinausgeht und auch Themen wie Teilhabemöglichkeiten, individuelle Ressourcen und Bedürfnisse in den Fokus rückt. Veränderungen in der Verwaltung laufen nicht reibungslos ab, sodass Rückmeldungen der Landkreise auch die Trägheit etablierter Strukturen, fehlende interkulturelle Kompetenz  und schleppende Digitalisierung bemängeln. Gleichzeitig fehlt weiterhin eine rechtliche und finanzielle Absicherung des Integrationsbereichs. Die Arbeit vor Ort ist sowohl von politischem Willen zur Gestaltung von Integration als auch von Förderungen und den damit verbundenen personellen Kapazitäten abhängig – und beides scheint derzeit laut der befragten Landkreise rückläufig zu sein.

In den Rückmeldungen der Landkreise wurde außerdem bemängelt, dass 2015 zwar viele lehrreiche Erfahrungen gemacht wurden, „[a]ndererseits hat sich die Verwaltung nach dieser ersten Phase zu lange auf dem damaligen Stand ausgeruht“. Das bedeutet, dass es in manchen Landkreisen versäumt wurde, die eingeführten Strukturen fortzuführen. Inwiefern sich geschaffene Strukturen auch langfristig etablieren, ist unter anderem eine Frage nach Priorisierung sowie der finanziellen Lage. Oft können die Kommunen die erforderlichen Mittel nicht aus dem eigenen Haushalt aufbringen, sodass eine Finanzierung durch Land, Bund oder ggf. eingeworbene Drittmittel erforderlich ist. Diese Förderungen sind sehr hilfreich, allerdings meist zeitlich befristet, was wiederum eigene Herausforderungen mit sich bringt. Dieser Aspekt soll im nächsten Abschnitt genauer beleuchtet werden.

 

(Projekt-)Förderung

Die Herausforderungen, die durch eine befristete Förderung von Projektstellen entstehen, wurden von den Landkreisvertreter:innen häufig erwähnt: „Zahlreiche Projektstellen wurden nicht entfristet oder weiter gefördert, wodurch Know-how und personelle Ressourcen verloren gingen.“ Dadurch sind nicht nur die Arbeitsbedingungen unattraktiv, sondern die Landkreise verlieren auch wertvolle Mitarbeitende. Die fehlende personelle Kontinuität kann v.a. in der Netzwerkarbeit bedeuten, dass die bereits geleistete Arbeit hinfällig wird. Gleichzeitig wird durch kurzzeitige Projektförderungen die Effizienz von Arbeitsprozessen in der Verwaltung gefährdet. Die daraus resultierende Bündelung vieler Aufgaben bei Einzelpersonen führen zu Arbeitsüberlastung und Druck, wodurch die (Weiter)Entwicklung bedarfsgerechter Lösungen erschwert wird.

Befristete Projektfinanzierung wird dementsprechend zwar immer wieder kritisiert, bleibt aber wahrscheinlich auf absehbare Zeit Realität. Diese ließen sich jedoch anders ausgestalten, wie wir in vorherigen Studien aus dem Programm Land.Zuhause.Zukunft. ausgearbeitet haben: Dazu zählen z. B. der Abbau administrativer Hürden für die Inanspruchnahme der Mittel, realistische Anforderungen an die kommunale Ko-Finanzierung und die Erleichterung einer Bündelung verschiedener Fördermittel. Auch die Landkreise können sich auf die Realität befristeter Projektförderungen noch besser einstellen: So kann die Verwaltung bspw. durch ein gutes Wissensmanagement und Zeit für Übergaben (also Erlaubnis temporärer Doppelbesetzungen) dafür sorgen, dass wichtiges Wissen bei Personalwechseln nicht verloren geht. Außerdem sollten Kommunen darauf achten, die Arbeitsbedingungen für befristete Stellen trotzdem attraktiv zu gestalten, z. B. indem sie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Home Office Regelungen etc. mitdenken und ihre Stärken in diesen Bereichen ausspielen.

 

Die Relevanz von Einzelpersonen

Neben Finanzierungsfragen spielen engagierte Personen vor Ort eine ebenso wichtige Rolle. Gerade Ehrenamtliche wurden als zentrale Personen hervorgehoben – die Einschätzung „[o]hne das freiwillige Engagement hätten die großen Herausforderungen nicht bewältigt werden können“, geht jedoch sogar so weit, als dass die staatlichen Stellen ihren Integrationsauftrag ohne die Unterstützung der Ehrenamtlichen nicht hätten erfüllen können. Die Bedeutung von Ehrenamtlichen im langen Sommer 2015 war bereits vielfach Forschungsgegenstand (bpb, aktivzivil, Hess et al. 2016). Auch eine Kurzexpertise des Programms Land.Zuhause.Zukunft. hob 2017 einerseits die Relevanz der Ehrenamtsbewegung 2015/16 in ländlichen Räumen hervor, andererseits betonte sie auch die Notwendigkeit einer Koordination des Engagements.

Eine aktuelle Sorge in diesem Zusammenhang ist, dass sich zunehmend weniger Ehrenamtliche einbringen. Dies könnte daran liegen, dass die Kapazitäten der Engagierten erschöpft sind und Faktoren wie ausbleibende politische Unterstützung oder das Gefühl, mit Verantwortung alleine gelassen zu werden, zu Frustration führen.

Ehrenamtliche waren und sind eine große Unterstützung im Bereich lokaler Integrationsarbeit, dennoch können sie (langfristig) nicht die tragende Säule sein und müssen als Ergänzung zu soliden staatlichen Strukturen gesehen werden. Dies wurde uns auch von den teilnehmenden Landkreisen zurückgemeldet, die neben ehrenamtlichen Strukturen auch die hauptamtlichen Integrationsbeauftragten/-lots:innen, Arbeitsgruppen Flucht o. Ä. als eine konstante Stütze der Integrationsarbeit vor Ort bezeichnen. Um langfristig als Kommune handlungsfähig zu sein, wird es darauf ankommen, den kommunalen Rahmen so auszugestalten, sodass Regelaufgaben komplett übernommen werden können und nur in besonderen Bedarfslagen auf zivilgesellschaftliches Engagement zurückgreifen muss. Daher ist es umso wichtiger, hauptamtliche Stellen im Integrationsbereich abzusichern, kein Personal abzubauen und den Arbeitsbereich attraktiv zu gestalten.

Darüber hinaus ist politische Rückendeckung durch Führungspersonen bspw. dem/der Landrät:in notwendig, um die Unterstützung von der Verwaltungsspitze für die Integrationsarbeit zu haben. Schammann et al. (2021) heben in ihrem Artikel die Rolle und den Einfluss von politischen Akteur:innen auf kommunaler Ebene hervor. Engagierte Mitarbeitende, die in ihrer Arbeit eine sinnstiftende Tätigkeit sehen, sind ebenso unerlässlich.

 

Veränderungen seit 2015

2022 kam es aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu einer vergleichbar großen Fluchtbewegung, allerdings gestalteten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen aufgrund der Aktivierung der EU-Massenzustromrichtlinie liberaler, da ukrainische Geflüchtete kein Asylverfahren durchlaufen müssen. Die an der Umfrage teilnehmenden Landkreise sind einstimmig der Meinung, dass sie auf die hohe Zahl neu ankommender Menschen besser vorbereitet waren als 2015. Das lag unter anderem an der besseren Zusammenarbeit „zum Beispiel zwischen den kreisangehörigen Kommunen und der Ausländerstelle und dem Jobcenter“ und auch anderen (zivilgesellschaftlichen) Netzwerkpartner:innen. Außerdem konnten bestimmte Strukturen reaktiviert werden, ein befragter Landkreis nennt beispielsweise „die Arbeitsgruppen in Notsituationen“. In den Rückmeldungen wurde aber auch Kritik geäußert, dass die Verwaltung in dieser Situation nicht schnell genug reagiert hat: „Viele der bereits bekannten Herausforderungen wurden erneut sichtbar, weil frühzeitig eingebrachtes Fachwissen – z. B. durch die Fachstelle Migration und Integration – nicht ausreichend einbezogen wurde.“

Darüber hinaus wurden weitere Defizite identifiziert, die für eine verbesserte Aufnahme bei einem kurzfristig großen Anstieg der Zahlen von Geflüchteten behoben werden müssten. Hierzu zählen beispielsweise der Erwerb von Deutschkenntnissen, fehlende Sprachkursangebote und Sprachmittlung, ungeklärte Kostenübernahme oder fehlende Sprachförderung an Schulen. Damit Menschen in Deutschland ankommen und an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können, braucht es jedoch verlässliche und nachhaltige Strukturen. Diese müssen unabhängig von der politischen und medialen Präsenz des Integrationsthemas abgesichert sein.

 

Blick in die Zukunft

Das Jahr 2015 und die Zeit danach hat in den Landkreisen zahlreiche Lernerfahrungen angestoßen. Gleichzeitig scheinen viele der Erkenntnisse nicht immer auch strukturell und nachhaltig in der Verwaltung verankert zu werden. In manchen Landkreisen wird beispielsweise beschrieben, dass Integration als Daueraufgabe aufgrund der klammen Haushaltslage wieder an Relevanz verliert. Neben der finanziellen Ausstattung scheint auch der politische Rückhalt stark an gesellschaftliche Stimmungen geknüpft. Mit Blick auf mögliche zukünftige (größere) Migrationsbewegungen wird von einigen Landkreisen Sorge in Bezug auf das sich verändernde politische und gesellschaftliche Klima geäußert. Die Debatten um Integration sind emotional und politisch aufgeladen und setzen sich wenig sachlich und faktenbasiert mit dem Thema auseinander. Dies lässt sich beispielsweise im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2025 beobachten. Viele der befragten Landkreise äußerten sich besorgt, dass vor dem Hintergrund gerade der Bereich Integration als freiwillige Leistung leichter abgebaut und zurückgenommen werden kann: „Es wird nach außen signalisiert, dass Integration als Thema keine große Rolle mehr spielt.“ Zudem werden Stellen trotz bestehender Finanzierung nicht weiter verlängert. Darüber hinaus werden ländlichen Räumen häufig Ideen und Fähigkeiten abgesprochen und nicht bei Gesetzgebungen miteinbezogen: „Generell wird der ländliche Landkreis als Ort der Integration politisch praktisch nicht wahrgenommen. Dies führt zu gut gemeinten, aber weniger gut durchdachten Angeboten/ Gesetzen etc. höherer Ebenen, oft ohne die Kenntnis um die Rahmenbedingungen der Umsetzung.“ In Bezug auf das Unterbringungsthema erarbeiten die Universität Hildesheim und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in den kommenden drei Jahren im Projekt „Mehr als vier Wände“ gemeinsam mit Kommunen Ideen für eine flexiblere und bedarfsgerechte Unterbringung von Geflüchteten.

Gleichzeitig sind ländliche Regionen vor eine doppelte Herausforderung gestellt: Erstens ist der demografische Wandel in vielen Regionen bereits jetzt deutlich spürbar, und zweitens sind ländliche Regionen auch stärker von Fachkräftemangel betroffen. Gleichzeitig ziehen Migrant:innen aus ländlichen Regionen zum Teil wieder weg, wenn sie diskriminierende Erfahrungen machen und sich nicht akzeptiert fühlen. Das heißt, dass migrationsfeindlichen Diskursen sehr drängende reale Notwendigkeiten für Zuwanderung und gelingender Integration gegenüberstehen, um die Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen aufrechtzuerhalten. Für dieses Paradoxon der Notwendigkeit von Migration vs. Migrationsfeindlichkeit müssen zukünftig Lösungen gefunden werden, die das Thema als gesellschaftliche Aufgabe aufgreifen.

Migration und Integration müssen wieder im eigentlichen Wortsinn gestaltet werden – derzeit kreist ein Großteil des Migrationsdiskurses jedoch eher um Rückführungen und Grenzkontrollen, die rechtlich umstritten sind. Auch die Wirkungen der aktuell geplanten oder bereits beschlossenen bundespolitischen Reformen auf die Kommunen sollte stärker berücksichtigt werden. Die befragten Landkreise nennen stattdessen andere mögliche Reformen, wie beispielsweise zur Entlastung von Ausländerbehörden, die tatsächliche Erleichterungen vor Ort bedeuten würden: „Die medial viel beschworene Überforderung der Ausländerbehörden hat zwar zu einigen lustigen Ansätzen geführt, tatsächliche große Baustellen geht auch die neue Koalition nicht an. Eine Vereinfachung des Aufenthaltsrechts würde an vielen Stellen helfen“.

 

Mögliche Lösung: Integration als kommunale Pflichtaufgabe?

Ein Lösungsvorschlag, um die Problematik der unsicheren Finanzierung und Abwertung des Integrationsbereichs anzugehen, liegt darin, Integration nicht als freiwillige kommunale Leistung, sondern als Pflichtaufgabe zu etablieren, um die notwendige Absicherung zu gewährleisten, unabhängig von politischen Mehrheiten. Boris Kühn et al. haben 2024 dazu eine Studie veröffentlicht, die die Frage aufgreift, inwiefern Integration als kommunale Pflichtaufgabe zu krisenfesten Strukturen beitragen kann. Die Idee ist, dass, wenn Integration Pflichtaufgabe und keine freiwillige Leistung mehr wäre, bestimmte Bausteine gesetzlich verbindlich und dauerhaft durch die Kommunen wahrgenommen werden müssten (Koordinierung, Planung und Fallberatung). Für die Einführung der Pflichtaufgabe wäre jedoch jedes Bundesland selbst zuständig, weswegen es keine einheitliche Lösung geben wird.

Daran angelehnt bedarf es einer (politischen) Diskussion, inwieweit Angebote spezifisch auf die Realität ländlicher Räume abgestimmt werden können. Trotz aller Verbesserungsbedarfe haben Landkreise in Deutschland bereits viel geleistet und auf die Beine gestellt. Es würde sich lohnen, diese Errungenschaften sichtbarer zu machen, auch um einen Gegenpol zu den häufig negativen Berichterstattungen über Migration zu etablieren (siehe beispielsweise Kühn 2023; Kühn & Ziegler 2024).

Die Erfahrungen der von uns befragten Landkreise zeigen, dass sie seit dem „langen Sommer“ vieles gelernt haben und sich einige strukturell besser aufstellen konnten, um auch für künftige Herausforderungen gerüstet zu sein. Da Gesellschaften und Migrationsprozesse einem steten Wandel unterliegen, ist die Arbeit im Themenfeld Integration eine Gestaltungsaufgabe, die  nie abgeschlossen sein wird. Es kommt vielmehr darauf an, etablierte Strukturen stetig zu hinterfragen und an sich ändernde Realitäten neu anzupassen. Kommunale Ressourcen sollten also nicht nur das Nötigste finanzieren, sondern auf bestehende Expertise und Erfahrungen aufbauen und dabei auch immer Raum für Veränderungen und Anpassungen sich abzeichnender Dynamiken lassen. Eine zukunftsfähige Integrationspolitik braucht strukturell gut aufgestellte Verwaltungen, die proaktiv und strategisch handeln können, um für zukünftige Flucht- und Migrationsbewegungen vorbereitet zu sein.

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