Was wurde auf dem EU-Gipfel erreicht, und was bedeutet es für den Asylstreit?

Keine Verständigung bei den einander widersprechenden Positionen zur internen Verantwortungsübernahme; volle Konzentration auf die „Sicherung“ der Außengrenzen und auf Externalisierungsbemühungen; keine „wirkungsgleichen“ Ergebnisse im Sinne des deutschen Asylstreits. Das sind, kurz gefasst, die unter dem Stichwort „Migration“ erzielten Ergebnisse des EU Gipfels Ende vergangener Woche.

Stichwort „Migration“: In der Sache ging es ausschließlich um Asylsuchende. Die Bezeichnung „asylum seekers“ kommt nur einmal vor, „migrants/migration“ dafür zehnmal, davon sechsmal in Kombination mit „illegal/irregular“. Die Wahrnehmung Asylsuchender als Personen, deren Ankunft in Europa illegitim und zu verhindern ist, prägt das ganze Papier.

Weit überwiegend geht es in den Absichtserklärungen darum, die Außengrenzen gegen solche Ankünfte zu verschließen und mit außereuropäischen Staaten zu dem Zweck zu kooperieren, Wanderungsbewegungen in Richtung Europa zu verhindern und dennoch Ankommende nach außerhalb Europas zurückzureichen. Inhaltlich ist das nichts Neues, Europa bemüht sich schon länger in dieser Richtung. Neu ist eigentlich nur, welch großen Raum die Absichtserklärungen zur externen Dimension in den Konzepten zur Weiterentwicklung der europäischen Asylpolitik inzwischen einnehmen. Die Hoffnung, Lösungen außerhalb Europas zu finden, wächst offenbar umgekehrt proportional zur Fähigkeit, sich innereuropäisch zu verständigen. Mit dem in der to do-Liste des Europäischen Rates zum Ausdruck kommenden Verständnis von Verantwortungsteilung zwischen Europa und den – ohnehin überproportional belasteten – Erstaufnahme- und Transitstaaten wird es nicht einfach werden, die nötigen außereuropäischen Kooperationspartner zu finden. Albanien, Marokko, Tunesien, Algerien und Ägypten sollen bereits abgewunken haben.

Keine neue Idee, aber jetzt erstmals offiziell auf dem europäischen Wunschzettel, ist das Konzept der Verlagerung von Asylverfahren nach außerhalb Europas. Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, frühzeitig zwischen Schutzbedürftigen und nicht Schutzbedürftigen zu unterscheiden. Und menschenfreundlich, weil es den Schutzberechtigten lebensgefährliche Zugangsversuche auf irregulären Wegen ersparen könnte – vorausgesetzt, sie würden im Falle der Anerkennung unverzüglich regulär in Europa aufgenommen. Gerade dazu enthält das Papier aber nichts. Die einzige unter all den Abschottungs- und Externalisierungsplänen überhaupt erwähnte Form einer Verschiebung in umgekehrter Richtung, in Richtung Europa, ist das Resettlement. Das Wort kommt zweimal vor, beide Male in Kombination mit „voluntary“, was Aufnahmen in relevantem Umfang nicht erwarten lässt. Zur Frage, wer für die in den außereuropäischen Prüfzentren abgelehnten Asylsuchenden verantwortlich sein soll, enthält das Papier ebenfalls nichts. Auf dem Wunschzettel steht aber, dass diese Zentren jedenfalls nicht zu einem pull-Faktor werden sollen. Das lässt für die dortigen Standards und die anschließenden Aufnahmechancen nichts Gutes erwarten. In Australien, das solche Konzepte seit vielen Jahren praktiziert und hier wohl Pate steht, hatten die Zentren von Anfang an Abschreckungscharakter. Die Betroffenen müssen jahrelang und unter menschenunwürdigen Bedingungen auf eine Umsiedlung warten – nach Kanada und die USA, nicht nach Australien, das seit 2013 die Aufnahme verweigert.

Die Absichtserklärungen zur internen Dimension nehmen vergleichsweise schmalen Raum ein. Die Ausgangslage war bekanntlich, dass die Mitgliedstaaten teilweise mehr Verantwortungsteilung fordern – in Gestalt eines relocation-Mechanismus und einer Berücksichtigung der besonderen Belastungen der „frontline“-Mitgliedstaaten –, andere sperren sich gegen jede Art verbindlicher Umverteilung. Genau auf diesen Widerspruch hat man sich am Ende verständigt: Es soll künftig freiwillig solidarisch zugehen. Ob und welche Mitgliedstaaten den Finger heben werden, wenn es darum geht, innereuropäische „kontrollierte Zentren“ zu beherbergen und überlastete Mitgliedstaaten zu entlasten, bleibt bis auf Weiteres offen, ebenso das Schicksal der Dublin-Verordnung.

Ist in dem Papier auch irgendwo vom Flüchtlingsschutz und zu wahrenden Rechten der Betroffenen die Rede? Fast überhaupt nicht. Es finden sich kurze salvatorische Einschübe, in denen versichert wird, dass alles mit rechten Dingen zugehen wird: „in line with our principles and values“ und „in full respect of international law“.

Im Hinblick auf das CSU-Ultimatum im deutschen Asylstreit ist das Ergebnis eindeutig: Der Gipfel hat erwartungsgemäß nichts hervorgebracht, was „wirkungsgleich“ zu den von Seehofer propagierten unilateralen Zurückweisungen wäre. Das Papier verhält sich zum Thema Weiterwanderungen außerordentlich knapp: Die Mitgliedstaaten sollen Weiterwanderungen legislativ und administrativ begegnen und dazu eng zusammenarbeiten. Das klingt nach Absprachen für eine effizientere Implementation ordnungsgemäß geprüfter Zuständigkeiten, nicht nach Befugnissen, einander in Transitzonen Asylsuchende hin- und herzuschieben. Dergleichen hat in den GEAS-Reformbemühungen aus guten Gründen keine Chance. Und aktuell wieder aufgewärmte Ansätze, eine geltende Rechtslage herbeizukonstruieren, die unilaterale Zurückweisungen Asylsuchender im Dublin-Raum erlaube, sind europarechtlich unhaltbar und würden vor den Gerichten, allerspätestens nach Vorlage an den EuGH, scheitern.

 

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