Keine reine „COP“-Sache: Wie weiter bei Flucht und Migration im Kontext der Klimakrise?

Auf der in der vergangenen Woche zu Ende gegangenen COP 28 in Dubai waren Flucht und Migration wichtige Themen. Auch unabhängig von den Weltklimaverhandlungen oder deren Ergebnissen ist klimawandelbezogene Flucht und Migration ein Thema geworden, welches zahlreiche politische Akteur*innen weltweit verstärkt angehen. Es muss jedoch noch mehr geschehen, damit entsprechende Aktivitäten auch vulnerabler Bevölkerungsgruppen und Migrierende erreichen.

 

In der vergangenen Woche ist in Dubai die 28. Weltklimakonferenz zu Ende gegangen. Die Aufmerksamkeit für diese Veranstaltung war groß und dementsprechend wurde viel über die Ergebnisse und Beschlüsse der COP 28 in den letzten Tagen berichtet. Das überrascht nicht so sehr, denn die Klimakrise ist sicherlich die größte und herausforderndste der globalen Krisen, deren Auswirkungen vielen Menschen große Sorgen bereiten. Nicht wenige denken dabei auch an die Folgen für weltweite Flucht- und Migrationsbewegungen. Welche Rolle spielten die Themen Flucht und Migration eigentlich bei der gerade zu Ende gegangenen COP 28? Und wie geht es nun weiter mit dem Thema „Klimamigration“?

Die Sorgen vieler Menschen in Europa, wenn es um die Zusammenhänge zwischen klimatischen Wandel und menschlicher Mobilität geht, drehen sich vor allem um die Erwartung eines millionenfachen Ansturms von sogenannten „Klimaflüchtlingen“ aus Afrika oder Teilen Asiens. Der Tenor in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema ist der, dass ein solch alarmistisches Szenario eher unwahrscheinlich ist. Die Folgen des Klimawandels – meist im Zusammenspiel mit anderen Faktoren – haben nichtsdestotrotz einen maßgeblichen Effekt auf landesinterne oder intraregionale Flucht- und Migrationsprozesse. Laut Angaben des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) haben im Jahr 2022 aufgrund von Katastrophen, die zu einem erheblichen Teil klimawandelinduziert sind, etwa 32 Millionen Menschen weltweit ihre Heimat verlassen müssen. Auch wenn einige dieser Menschen nach einer gewissen Zeit in ihre Herkunftsorte zurückkehren konnten, so wird die Dimension der Herausforderung „Klimamigration“ mit einer sich immer deutlicher manifestierenden Klimakrise in der Zukunft deutlich anwachsen.

COP 28: Filterzigaretten, Paukenschläge und Ungewissheiten

Die Hauptergebnisse der Weltklimakonferenz von Dubai sollten auch unter diesem Gesichtspunkt mit gemischten Gefühlen aufgenommen werden. Die am Persischen Golf versammelte Weltgemeinschaft bekannte sich am Ende zwar zur Abkehr von fossilen Brennstoffen, allerdings ohne konkrete Grenzen für deren Nutzung für die nächsten Jahre und Jahrzehnte festzulegen. Der Abschlusstext ruft auf der einen Seite zu einer Verdreifachung der globalen Kapazitäten an erneuerbaren Energien für die nächsten sieben Jahre auf, auf der anderen Seite wird das im Vergleich zu Öl nur geringfügig weniger klimaschädliche Erdgas als eine “Übergangsenergiequelle” bezeichnet. Der britische Experte für Klimawandel und Migration Alex Randall verglich die COP-Ergebnisse daher ziemlich treffend mit einem Raucher, der fröhlich ankündigt, dass er das Rauchen nun aufgebe. Wobei dieser Raucher dann aber präzisiert, dass es weniger ein Aufgeben des Rauchens sei als ein „Auslaufen“ oder eine schrittweise Verringerung des Tabakkonsums bzw. die Bemühung dieses anzustreben – wobei sich dieses Bemühen vor allem auf das Rauchen von Zigaretten ohne Filter bezieht, nicht aber auf Filterzigaretten. Mit anderen Worten: Es darf stark bezweifelt werden, dass die Ergebnisse von Dubai ausreichen werden, das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad im Vergleich zum Temperaturmittelwert in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu begrenzen.

Unabhängig davon waren die Themen Flucht und Migration in Dubai sehr sichtbar, nicht zuletzt aufgrund von zahlreichen Side-Events mit Migrationsbezug und einem eigenen Climate Mobility Pavillon. Zudem begann die diesjährige COP mit einem kleinen Paukenschlag, der die Themen Flucht und Migration direkt berührt: Bereits am ersten Tag einigte man sich auf einen Loss and Damage-Fonds zur Entschädigung der besonders von den Auswirkungen der Klimakrise betroffenen Länder. Es folgten die ersten Finanzierungszusagen, an denen sich unter anderem Deutschland beteiligte. Der Begriff Loss and Damage umfasst dabei Schäden aller Art an Infrastruktur, landwirtschaftlichen Nutzflächen oder Viehbestand sowie nicht wiederherstellbare Verluste an Menschenleben, bei der biologischen Vielfalt oder eben auch durch Vertreibung. In den Medien war zum Teil von einem historischen Durchbruch die Rede. In den Modalitäten zur Implementierung des Fonds wird ausdrücklich die „Förderung einer gerechten, sicheren und würdigen menschlichen Mobilität in Fällen von vorübergehenden und dauerhaften Verlusten und Schäden [Loss and Damage]” erwähnt. Wie Mittel aus dem Fond dann aber tatsächlich Menschen, die aufgrund von Auswirkungen der Klimakrise migrieren müssen, zugutekommen können, das bleibt – wie andere Modalitäten des Fonds – bis auf weiteres unklar.

„Klimamigration“: Eine weite Landschaft

Allerdings ist „Klimamigration“, auch jenseits von Weltklimakonferenzen und Loss and Damage-Fond, ein Thema geworden, welches Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen zunehmend angehen. So ist mittlerweile eine globale Akteur*innenlandschaft entstanden, in der in unterschiedlichen Konstellationen ausgewählte Facetten von Klimawandel und Migration (z.B. Katastrophenvorsorge oder Binnenvertreibung) adressiert werden – nicht zuletzt auf der regionalen und nationalen Ebenen. Diese Landschaft setzt sich aus Akteur*innen aus verschiedenen (Politik-)Bereichen wie Migration, Flucht, Klima, Umwelt, Menschenrechte oder Entwicklungspolitik zusammen, zum einen aus internationalen Organisationen wie der der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Foren wie der Platform on Disaster Displacement (PDD), Regionalorganisationen wie der Europäischen Union oder der ostafrikanischen Intergovernmental Authority on Development (IGAD), zum anderen aus verschiedenen zivilgesellschaftliche Organisationen besteht. Vieles dreht sich dabei aber noch vorwiegend um politische Dialogprozesse, das Schaffen eines Bewusstseins für die Herausforderungen von Flucht und Migration im Kontext der Klimakrise oder die Verbesserung der Datenlage.

Den Schalter umlegen

Anstatt den Fokus primär auf politische Prozesse zu legen, gilt es zukünftig, den Schalter umzulegen und Aktivitäten mehr auf die Bedürfnisse vulnerabler Bevölkerungsgruppen und Migrierender auszurichten. Dafür bedarf es insgesamt auch eines anderen Bewusstseins – das betrifft sowohl den Loss and Damage-Fond im Speziellen als auch alle anderen relevanten Aktivitäten im Allgemeinen. Es erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der komplexen Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und menschlicher Mobilität. Und diese Betrachtung muss beginnen bei Menschen, die nicht mobil sein wollen oder können. Viele Menschen verfügen gar nicht über die Ressourcen für Mobilität. Diese oftmals als trapped populations bezeichnete Bevölkerungsgruppen sind größtenteils noch stärker von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen als diejenigen, die mobil sein können. Flucht und Migration stehen, nicht nur bei politisch Verantwortlichen, viel stärker im Fokus als erzwungene Immobilität. Mobilität wird insgesamt primär noch aus dem Blickwinkel eines sedentary bias heraus betrachtet, also der Überzeugung, dass Sesshaftigkeit die Norm und Mobilität eine Ausnahme ist, verbunden mit einer Zielvorgabe, aktiv zu werden, damit ja niemand migrieren muss. Selbstverständlich gilt es, etwa durch gute bzw. „klimafeste“ Infrastruktur oder zuverlässige Frühwarnsysteme Menschen vor klimawandelbedingten und anderen Katastrophen besser zu schützen, so dass viele Menschen zukünftig ihre Heimstätte nicht verlassen müssen. Auf der anderen Seite müssen politisch Verantwortliche aber anerkennen, dass gerade auch Arbeitsmobilität sehr positive Effekte für vulnerable Haushalte haben kann, wenn es um die Bewältigung von Klimafolgen bzw. die Anpassung an den Klimawandel geht. Dafür muss aber der Wille vorhanden sein, entsprechende Rahmenbedingungen zum Wohle der Migrierenden, ihrer Familien und den Zuzugsregionen zu schaffen – statt Migration pauschal verhindern zu wollen.

Fazit: COP 28 – Keine vollkommene Enttäuschung

Gerade wenn es um menschliche Mobilität im Kontext des Klimawandels, und egal ob es um Immobilität, Migration, Fluchtmigration oder Umsiedlung geht, so sollte nicht eine funktionalistische Betrachtungsweise von Mobilität das Maß der Dinge sein. Denn Migration ist nicht automatisch eine Anpassungsstrategie. Die Menschen, die in den schon heute stark von den Folgen der Klimakrise betroffenen Länder und Regionen leben, sind auch nicht pauschal „Klimaopfer“, die auf Erlösung durch Dritte warten. Vielmehr wollen sich viele von ihnen vor Ort anpassen und ihr eigenes Schicksal, soweit es geht, selbst bestimmen. Von daher sollten die Menschenrechte, Teilhabe, Selbstbestimmtheit und – gerade im Hinblick auf politische Akteur*innen im Globalen Norden – globale Gerechtigkeit die Maßgaben für den Umgang mit menschlicher Mobilität im Kontext der Klimakrise sein. Das erscheint zwar sehr ambitioniert, wenn aber wirklich Fortschritte beim Thema erzielt werden sollen, so ist es zwingend notwendig. Dass man im Rahmen des Loss and Damage-Fond ankündigt, auch „Klimamigranten“ [sic] an entsprechenden beratenden Gremien zu beteiligen, ist dies ein grundsätzliches positives Zeichen. Vielleicht ist das Ergebnis der COP 28 daher doch nicht so vollkommen enttäuschend.

 

Dieser Beitrag ist in ähnlicher Fassung zeitlich parallel auch im MiGAZIN erschienen.

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