Von Südamerika nach Sachsen: Die Situation venezolanischer Geflüchteter im Globalen Kontext

Abseits des medialen Fokus auf andere globale Krisen zählt die venezolanische Fluchtbewegung zu den größten der Gegenwart – fast 8 Millionen Menschen (mehr als 25% der gesamten venezolanischen Bevölkerung) haben in den letzten zehn Jahren ihr Heimatland verlassen. Auch in Europa – insbesondere in Spanien und zunehmend in Deutschland – nimmt die Zahl der Asylanträge zu. Im Januar und Februar 2025 stellten Personen venezolanischer Staatsangehörigkeit die meisten Asylanträge in der EU. Sinkende Anerkennungsquoten und steigende Abschiebungen verschärfen jedoch die Unsicherheit vieler Geflüchteter in Deutschland. Die anhaltende politische Repression in Venezuela und die umstrittene Migrationspolitik der USA und anderer regionaler Zielländer wirft Fragen nach wirksamem Schutz für Venezolaner:innen auf. Dieser Beitrag beleuchtet die politische und humanitäre Lage venezolanischer Geflüchteter – und fordert ein Umdenken in der deutschen Asylpraxis.

 

Die Flucht aus Venezuela hat verschiedene politische und humanitäre Gründe. Die ab 2013 einsetzende massive Rezession, hervorgerufen durch wirtschaftliches Missmanagement, mündete in eine galoppierende Hyperinflation von mehr als 1.000.000% im Jahr 2018, massive Arbeitslosigkeit und einen akuten Mangel an lebenswichtigen Gütern. Ende 2017 lebten 87% der Bevölkerung in Armut, 80% litten an Ernährungsunsicherheit, und laut Caritas waren 280.000 Kinder vom Hungertod bedroht. Zudem kollabierten die medizinische Versorgung und das Bildungssystem weitgehend. Die New York Times bezeichnete Venezuelas wirtschaftlichen Zusammenbruch 2019 als „den schwersten seiner Art außerhalb eines Krieges in Jahrzehnten“ – ein Vergleich, der die Tiefe und Ausnahmesituation der Krise betont. Obwohl US-Sanktionen oft als Grund für die Wirtschaftskrise genannt werden, traten diese gegen den venezolanischen Staat erst 2017 in Kraft – die Zwangsmigrationsbewegung aus Venezuela begann jedoch bereits in den frühen 2000er-Jahren ein und erreichte ab 2015 ihren Höhepunkt, was auf eine tieferliegende, bereits zuvor bestehende Krise hinweist. Die Sanktionen trugen jedoch zur weiteren Verschärfung bei. Insgesamt ist die Krise das Resultat eines komplexen Zusammenspiels innen- und außenpolitischer Faktoren.

Obwohl sich die venezolanische Wirtschaft seit 2021 in einem leichten Erholungsprozess befindet, bleibt die humanitäre Krise im Land weiterhin gravierend. Nach Angaben des jüngsten HumVenezuela-Berichts lebten im Jahr 2024 etwa 87 % der Bevölkerung in Einkommensarmut, während 71 % in extremer Armut verharrten. Im Gesundheitssektor wurden erhebliche Mängel festgestellt: 66 % der Menschen hatten keinen ausreichenden Zugang zu grundlegenden Versorgungsgütern, 35 % beklagten fehlendes medizinisches Fachpersonal, und weitere 35 % litten unter einem Mangel an Pflegekräften. Sieben von zehn Haushalten gaben an, auf Überlebensstrategien zurückgreifen zu müssen, um die Grundversorgung ihrer Familien mit Lebensmitteln sicherzustellen.

Hinsichtlich der politischen Situation hat sich Venezuela seit dem Amtsantritt Hugo Chávez im Jahr 1998 in eine autoritäre Richtung entwickelt, die unter der Regierung von Nicolás Maduro (im Amt seit 2013) eine weitere Verschärfung erfahren hat. Oppositionelle Stimmen werden systematisch unterdrückt, Wahlprozesse manipuliert und demokratische Institutionen gezielt geschwächt. Menschenrechtsorganisationen berichten regelmäßig über willkürliche Verhaftungen, Folter und Angriffe auf Journalist:innen. Bei den Protesten von 2013 bis Januar 2019 wurden mehr als 250 Demonstranten getötet und viele inhaftiert oder verschleppt. Die Präsidentschaftswahlen im Juli 2024 führten erneut zu Spannungen: Während unabhängige Analysen einen klaren Wahlsieg des Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia ergaben, erklärte die Wahlkommission Nicolás Maduro zum Gewinner. Daraufhin kam es landesweit zu Protesten – und zur Verschärfung staatlicher Repression. In diesem Zusammenhang wurden mindestens 24 Menschen getötet.

Im Zuge der „Operation Tun Tun“ wurden über 2.000 Personen unter Vorwurf des Terrorismus festgenommen, viele von ihnen Jugendliche, meist ohne rechtlichen Beistand. Maduro ermutigte die Bevölkerung, Protestierende über die App „VenApp“ zu melden, was Bedenken hinsichtlich der Etablierung eines Überwachungsstaates aufwarf. Drohnen wurden eingesetzt, um Demonstrationen zu überwachen und Protestierende weiter einzuschüchtern. Internationale Institutionen wie der UN-Menschenrechtsrat verurteilten das Vorgehen der Regierung und stuften die Menschenrechtsverletzungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Trotz einzelner Freilassungen bleiben bis Ende März 2025 über 900 politische Gefangene in Haft. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte bezeichnet diesen Zustand als staatlich organisierten Terror.

Vor diesem Hintergrund ist klar ersichtlich, dass Venezolaner:innen, die vor politischer Verfolgung fliehen, gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 als Flüchtlinge gelten. Auch unabhängig der staatlichen Repression zählte Venezuela mindestens bis 2019 zu den gewalttätigsten Ländern der Welt. Mit 60,3 gewaltsamen Todesfällen pro hunderttausend Einwohnern lag die Rate weit über der aller anderen als gefährlich geltenden Länder in Lateinamerika. Allgemein handelt es sich bei venezolanischen Geflüchteten unbestreitbar um Survival Migrants, da ihre Flucht primär durch existenzieller Bedrohungen wie extreme Armut, unzureichende Gesundheitsversorgung, allgegenwärtige Gewalt sowie den Zusammenbruch grundlegender staatlicher Strukturen motiviert ist.

 

Migrationspolitische Reaktionen in Lateinamerika

Die überwiegende Mehrheit der Venezolaner floh zunächst in Nachbarländer, die anfangs überraschend wohlwollend, wenn auch uneinheitlich reagierten. Unter anderem gewährten Argentinien, Brasilien und Uruguay zweijährige Aufenthaltsgenehmigungen im Rahmen von Mercosur. Chile, Kolumbien und Peru führten spezielle temporäre Schutzmechanismen ein, während Panama und Bolivien Legalisierungsprogramme aufsetzten. Anfang 2021 führte Kolumbien einen temporären Schutzstatus (Temporary Protected Status, TPS) ein und gewährte Venezolaner:innen somit Zugang zu Sozialleistungen für zehn Jahre. Mit steigenden Flüchtlingszahlen – heute leben in Kolumbien offiziell 2,8 Millionen und in Peru 1,5 Millionen Venezolaner:innen – nahmen fremdenfeindliche Diskurse und politische Radikalisierung zu, die sich in zunehmend restriktiven Migrationspolitiken widerspiegelten. Chile, Ecuador und Peru haben die Einreisebestimmungen für Venezolaner:inner seitdem verschärft und die Anerkennung von Asylanträgen erschwert, während Kolumbien das TPS Programm auslaufen lässt und Ecuador kürzlich das Dekret 370 aufhob, das seit August 2024 venezolanischen Migrant:innen ohne Aufenthaltserlaubnis Amnestie gewährte und ihnen den Zugang zum Regularisierungsprozess ermöglichte.

Wichtig ist es anzumerken, dass obwohl das Völkerrecht und die nationale Gesetzgebung in weiten Teilen Südamerikas einen klaren Schutzrahmen für venezolanische Geflüchtete bieten, dessen praktische Umsetzung weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Erklärung von Cartagena (1984), die von 15 Staaten in nationales Recht übernommen wurde, erkennt Menschen auch dann als Flüchtlinge an, wenn sie vor generalisierter Gewalt, massiven Menschenrechtsverletzungen oder dem Zerfall staatlicher Ordnung fliehen – alles Kriterien, die auf Venezuela zutreffen. Prima facie müssten daher alle Venezolaner:innen von südamerikanischen Staaten als Flüchtlinge anerkannt werden. Doch in der Realität zeigten nur Brasilien und Mexiko Ansätze einer konsequenten Umsetzung – während andere Staaten rechtliche Verpflichtungen ignorieren und Schutzsuchende zunehmend im Stich lassen.

Die anhaltende Krise in Venezuela, zunehmend restriktive Migrationspolitiken und wachsender Fremdenhass gegenüber Venezolaner:innen in Lateinamerika, die sozialen wie wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, sowie die fortbestehende Zugkraft des „American Dream“ und die Informationskraft sozialer Netzwerke wirkten sich direkt auf die Fluchtrouten aus. Sie beeinflussten die Entscheidung hunderttausender Geflüchteter, die Andenländer wieder zu verlassen und zunächst durch den Darien Gap in Richtung USA weiterzuziehen. Zwischen 2022 und 2024 nutzen fast 690.000 Venezolaner:innen diese lebensgefährliche Route. Aber auch Europa, vor allem Spanien, gewann als Zielregion zunehmend an Bedeutung.

 

Venezolanische Geflüchtete in Deutschland: Integration und Herausforderungen

Auch die Zahl der Asylanträge venezolanischer Staatsbürger in Deutschland hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Von 574 Anträgen im Jahr 2020 stieg die Zahl auf 1.841 (2022) und erreichte 2023 mit 3.756 ihren vorläufigen Höchststand. Im Jahr 2024 ging die Zahl leicht zurück auf 3.062. Besonders viele Geflüchtete werden in Sachsen untergebracht, wo Venezolaner:innen 2023 die zweitgrößte Geflüchtetengruppe nach Syrer:innen stellten. Trotz der fortbestehenden humanitären Krise und der erneuten Verschärfung politischer Verfolgung in Venezuela sind die Anerkennungsquoten kontinuierlich gesunken: von über 40 % im Jahr 2020 auf nur noch 19,3 % im Jahr 2024. Dies liegt deutlich unter dem Durchschnitt der Anerkennungsquoten, der 2020 bei 43,1 % und 2024 bei 44,3 % lag. Ein Grund dafür liegt in mangelnder rechtlicher Unterstützung. Viele Betroffene stellen ihre Anträge ohne professionelle (spanische) Beratung, was die Chancen auf einen positiven Bescheid mindert. Denn Gerichtsurteile zeichnen ein anderes Bild: Nahezu die Hälfte der Ablehnungen im Jahr 2022 und über ein Drittel im Jahr 2023 wurden von Verwaltungsgerichten revidiert – ein Hinweis darauf, dass zahlreiche Entscheidungen fehlerhaft waren.

Im Jahr 2023 leitete die deutsche Bundesregierung eine sogenannte „Abschiebeoffensive“ ein, von der erstmals auch venezolanische Staatsangehörige betroffen waren. Zwischen 2019 und 2022 fanden keine Abschiebungen von Venezolaner:innen statt, doch im Jahr 2023 wurden 22 Venezolaner:innen abgeschoben – 16 von ihnen nach Venezuela,  – davon neun im Bundesland Sachsen. Im Jahr 2024 stieg die Zahl auf 51 im gesamten Bundesgebiet,, in einigen Fällen “trotz schwerwiegender gesundheitlicher Risiken und der deutlichen Bemühungen um Integration”. Angesichts der weiterhin unsicheren Lage in Venezuela reagierten venezolanische Vereinigungen in Deutschland mit einem offenen Brief, in dem sie die Rückführungen als äußert gefährlich einstuften und deren sofortigen Stopp forderten. Dennoch hielten die deutschen Behörden an den Maßnahmen fest.

Ein exemplarischer Fall, der die Herausforderungen venezolanischer Geflüchteter in Deutschland verdeutlicht, ist der von Heberth Alvarado. Er floh 2022 nach Deutschland und arbeitete in einer Fleischerei in Brandenburg. Trotz nachgewiesener Integration und gesellschaftlichem Engagement erhielt er 2023 einen Abschiebebescheid. Der Stadtrat von Weißwasser setzte sich für seinen Verbleib ein, doch das Innenministerium lehnte den gestellten Härtefallantrag ab. Im April 2024 endete seine Duldung. Nach aktuellen Informationen ist sein Fall weiterhin offen, sowohl sein Arbeitgeber als auch Mitglieder der lokalen Gemeinschaft kämpfen für sein Bleiberecht. Jenseits des Schutzanspruchs der meisten Venezolaner:innen macht dieser Fall deutlich, wie formale Kriterien oftmals über Integrationsleistungen gestellt werden – eine Praxis, die insbesondere bei gut integrierten Geflüchteten für Frustration und gesellschaftliche Spannungen sorgt.

 

Blick in die Zukunft: Der Trump-Effekt auf die venezolanische Fluchtbewegungen

Um die Zukunft der venezolanischen Fluchtbewegungen nach Europa und Deutschland projizieren zu können, ist ein Blick in Richtung USA und Lateinamerika entscheidend. Ein erheblicher Teil der venezolanischen Diaspora in den USA, insbesondere im Bundesstaat Florida, unterstützte Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf 2024. Ausschlaggebend war sein Versprechen, eine Politik des „maximalen Drucks“ gegen das Maduro-Regime zu verfolgen. Schon kurz nach der Wahl jedoch wich die Unterstützung wachsender Verzweiflung aufgrund drastisch verschärfter Maßnahmen im Migrationsbereich. Dazu gehörte unter anderem die Aufhebung des „Temporary Protected Status“ (TPS), der zuvor rund 600.000 Venezolaner:innen in den gesamten USA temporären Schutz vor Abschiebung gewährte. Gleichzeitig wurde das humanitäre Parole-Programm für Staatsangehörige aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela widerrufen, wodurch weitere 117.330 Venezolaner:innen ihren Schutzstatus verloren. Schließlich könnten Venezolaner:innen von einem zukünftigen Einreiseverbot betroffen sein.

Zusätzlich verschärfte die Regierung Trump ihre Einwanderungspolitik durch die Reaktivierung und den Ausbau des Guantanamo Migrant Operations Center (GMOC), das bis zu 30.000 Migranten:innen, darunter auch Venezolaner:innen, internieren kann. Diese Maßnahmen stießen auf erhebliche Kritik von Menschenrechtsorganisationen und führten zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Besonders umstritten war der Verweis auf den „Alien Enemies Act“ von 1798, mit dem mutmaßliche Mitglieder der venezolanischen Bande Tren de Aragua ohne rechtsstaatliches Verfahren abgeschoben wurden. Trotz einer temporären Aussetzung durch Bundesrichter James Boasberg wurden am 21. März 2025 238 Venezolaner:innen in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador überstellt – eine Einrichtung, die international wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert wird. Berichte von Anwält:innen und Angehörigen legen nahe, dass viele der Betroffenen keinerlei Vorstrafen hatten und allein aufgrund ihrer Tattoos unter Generalverdacht gerieten.

Diese Entwicklungen verschärften die Spannungen zwischen der venezolanischen Diaspora und der US-Regierung erheblich. Aus Enttäuschung über die restriktive Migrationspolitik, aus Angst vor Abschiebung und aufgrund der anhaltenden politischen und humanitären Krise in Venezuela orientieren sich immer mehr Venezolaner:innen in Richtung Europa, insbesondere nach Spanien. Zudem haben zahlreiche Länder in Lateinamerika in den letzten Jahren zunehmend restriktivere Migrationspolitiken eingeführt, was die Suche nach alternativen Aufnahmeorten zusätzlich verstärkte. In Spanien wurden im Januar und Februar 2025 15.579 Asylanträge gestellt. Im gesamten Jahr 2024 waren es 66.134 Anträge. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch die Zahl der Asylanträge in Deutschland ansteigen wird.

 

Fazit

Die venezolanische Fluchtbewegung ist Ausdruck einer andauernden humanitären, wirtschaftlichen und politischen Katastrophe, deren Ursachen in wirtschaftlichem Missmanagement, autoritärer Staatsführung, einem Mangel an internationalem Engagement liegen sowie gescheiterte Integrationspolitiken in Lateinamerika und nun auch die Abschiebungspolitik der Vereinigten Staaten. Während die ersten Jahre der Fluchtbewegungen von einer relativen Offenheit lateinamerikanischer Aufnahmestaaten geprägt waren, dominieren heute zunehmend restriktive Migrationspolitiken und fremdenfeindliche Diskurse, die viele Geflüchtete zur Weiterflucht zwingen. Die feindliche Umgebung in Lateinamerika sowie der zunehmende Erosionsprozess bestehender Schutzmechanismen in der Region und den USA verstärken diese Dynamik erheblich.

Vor diesem Hintergrund rückt Europa – und auch Deutschland – zunehmend als Zielregion für Venezolaner:innen in den Fokus. Ausschlaggebend sind dabei der Familienzuzug und vergleichsweise stabile Schutzsysteme. Zwar bestehen weiterhin strukturelle Hürden wie niedrige Anerkennungsquoten und unsichere Bleibeperspektiven, doch viele venezolanische Geflüchtete zeigen bemerkenswertes Engagement für ihre Integration. Zivilgesellschaftliche Initiativen und eine stark vernetzte venezolanische Gemeinschaft schaffen lokale Strukturen, die Orientierung und soziale Teilhabe ermöglichen.

Deutschland ist gemäß seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen – insbesondere aus der Genfer Flüchtlingskonvention (1951, Art. 33), dem UN-Zivilpakt (Art. 7 & 13) sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – dazu verpflichtet, Geflüchteten, die vor Verfolgung, Gewalt oder unmenschlicher Behandlung fliehen, Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu gewähren und Abschiebungen in Staaten mit drohender Gefährdung zu unterlassen (Non-Refoulement-Prinzip). Die Umsetzung dieser Normen bleibt jedoch in der Praxis ambivalent: sinkende Anerkennungsquoten, mangelnde muttersprachliche Rechtsberatung und erste dokumentierte Abschiebungen von Venezolaner:innen weisen auf eine sich öffnende Schutzlücke hin. Obwohl es bereits Studien gibt, die die Bedürfnisse und Belastungen venezolanischer Geflüchteter in Deutschland untersuchen, mangelt es an Forschung zu ihren Profilen sowie zur aktuellen Gesamtsituation dieser Gruppe in Deutschland. Lokale Hilfsorganisationen in Sachsen berichten etwa von posttraumatischen Belastungsstörungen, die sich sowohl auf die Flucht aus Venezuela als auch auf die migrationspolitischen Bedingungen in Transitstaaten zurückführen lassen.

Um dieser Situation gerecht zu werden, sind interdisziplinäre Studien notwendig, die als Grundlage für eine zielgerichtete, evidenzbasierte Integrationspolitik dienen können. Nur durch ein vertieftes Verständnis dieser spezifischen Fluchtbewegung lässt sich ein nachhaltiger, rechtsstaatlich fundierter und menschenrechtskonformer Umgang entwickeln, der sowohl den Schutzbedürfnissen der Betroffenen als auch den politischen Verpflichtungen Deutschlands entspricht.

 

Zitiervorschlag: Trompetero, Maria Gabriela/ Freier, Luisa Feline (2025). Von Südamerika nach Sachsen: Die Situation venezolanischer Geflüchteter im Globalen Kontext. Fluchtforschungsblog.
https://doi.org/10.59350/fluchtforschung.14833

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